Geburtstag in Florenz
Bruegelschen Figur.«
Der Maresciallo bedankte sich artig, worauf sie hinterhältig lächelnd ein paar Vorderzähne entblößte, die ihn an ein Eichhörnchen erinnerten. Doch das Lächeln erlosch so rasch, wie es gekommen war, und schon verengten sich die argwöhnischen Luchsaugen wieder. »Also daß Sie über Florenz nicht gut Bescheid wissen, das haben wir nun festgestellt, junger Mann. Bleibt immer noch die Hoffnung, daß Sie sich auf Ihren Beruf verstehen. Sagen Sie, sollten sie nicht den Tod von Celia Carter untersuchen?«
»Ja, darum bin ich …«
»Nehmen Sie’s mir nicht übel, aber ich finde, wir sollten endlich zur Sache kommen. In meinem Alter ist Zeit ein wertvolles Gut.«
»Natürlich, verzeihen Sie. Ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich gehört habe, daß die Tochter in den Ferien bei Ihnen wohnt.«
»Ja!«
Das war alles. Guarnaccia stutzte verwirrt.
»Ich …«
»Nur weiter! Ich beantworte Ihre Fragen schon.«
Sie war anfangs so redselig erschienen, daß er gehofft hatte, sie würde ihn von sich aus mit brauchbarem Familienklatsch versorgen. Doch jetzt hatte es den Anschein, als müsse er sie ausfragen wie eine Verdächtige. Er senkte den Blick auf die goldene Flamme im Medaillon an seiner Mütze, die er unentwegt auf den Knien hin und her drehte, während er im Kopf die Fragen zu formulieren suchte, die ihr die richtigen Antworten entlocken würden. Aber diese Methode lag ihm nicht. Die besten Informationen gewann man aus spontanen Äußerungen, doch die Signorina Müller war offenbar nur dann spontan, wenn es um Kunstgeschichte ging ….Verstohlen sah er zu ihr hinüber. Auch sie hatte die Lider gesenkt, als warte sie ergeben auf seine nächste Frage. Da er dieser scheinbaren Ergebenheit nicht traute, quälte ihn der Verdacht, sie mache sich womöglich lustig über ihn. Aber sie wirkte sehr ernst, ja sogar feierlich. Und ihre Lider blieben gesenkt.
»Hm …« Er hüstelte und nahm einen Anlauf. »Hat die Tochter je mit Ihnen über das Verhältnis zwischen ihren Eltern gesprochen? Ich meine, gab es da vielleicht Eheprobleme?«
Sie antwortete nicht. Vielleicht mußte sie erst über seine Frage nachdenken. Behutsam half er ihr auf die Sprünge.
»Es könnte eine andere Frau im Spiel gewesen sein …«
Doch der Signorina Müller sank das Kinn auf die Brust. Sie war fest eingeschlafen. Und der Maresciallo begriff, daß sie schon die ganze Zeit geschlafen hatte, seit das Gespräch von der Kunstgeschichte auf andere Themen übergegangen war.
»Signorina …?«
Er wartete und sah sich um. Die Einrichtung wirkte auf ihn ungewohnt. Vielleicht hatte sie die Möbel aus Wien mitgebracht, als sie sich hier zur Ruhe setzte. Was war sie doch gleich von Beruf gewesen? Natürlich – Kustodin in einem Museum! Erstaunlich, wenn man es genau ausrechnete, dann war sie schon länger in Pension als er im Beruf. Das arme Ding hatte weiß Gott das Recht auf ein Nickerchen zwischendurch. Er bekam regelrecht Gewissensbisse, weil er sie mit seinen Fragen ermüdet hatte. Wahrscheinlich bekam sie sonst keinen Besuch, außer von ihrer Vermieterin, der Signora Torrini von nebenan. Und natürlich von dem Mädchen, dieser Jenny, wenn sie in den Ferien heimkam. Noch war sie nicht hier, soviel hatte er zumindest in Erfahrung gebracht, bevor die Signorina das Gespräch an sich riß. Und man erwartete sie heute auch nicht mehr. Das war immerhin etwas. Anscheinend hatte Jenny angerufen und Bescheid gesagt, daß sie später kommen würde.
Vielleicht sollte er besser gehen. Womöglich schlief sie in dieser Stille eine ganze Stunde oder noch länger. Über dem Kamin hing eine große, prunkvoll verzierte Uhr, aber deren Zeiger standen auf fünf nach halb sechs, und das wahrscheinlich schon seit Jahren. Guarnaccia sah auf seine Armbanduhr. Eigentlich hatte er gar nichts dagegen, noch einmal wiederzukommen. Im Notfall brauchte er sogar einen Vorwand, um, bis der Obduktionsbefund einging, jeden Tag herzukommen und diesen Forbes weichzumachen, ihn soweit wie möglich zu verunsichern. Sonst konnte er ja vorläufig nichts gegen ihn unternehmen, auch wenn der Mann, sobald er nüchtern war, sicher festgestellt hatte, daß er keinen Paß mehr besaß. Das war zwar nicht viel, aber immerhin etwas. Der Maresciallo entdeckte einen sehr schönen Flügel. Er war offen, und es lagen Noten auf. Anscheinend funktionstüchtiger als die Uhr. Würde man einen Flügel von Österreich bis hierher transportieren? Nun, warum eigentlich nicht? Er hatte
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