Geburtstag in Florenz
zusammengerauft, weshalb es jetzt bestimmt nicht verkehrt wäre, den Rat des Capitanos einzuholen. Also dann auf nach Borgo Ognissanti … Nein, lieber erst nach der Mittagspause. Ein gutes Essen könnte … Wenn er es bloß nicht immer wieder vergessen würde. Und wenn sein Magen nicht jeden Tag so freudig auf das Zwölfuhrläuten reagieren wollte und auf das Zeitzeichen der Mittagsnachrichten, auf den Tomaten- und Knoblauchduft aus der Küche der Rekruten über seinem Büro oder auf das Besteckgeklapper hinter jedem Fensterladen in jeder Wohnung an jeder Straße. Und wie enttäuscht er sich dann jedesmal zusammenzog, wenn die Erinnerung wiederkehrte! Statt sich mit einem jämmerlichen Salat abzuquälen, konnte er genausogut gleich rüberfahren nach Borgo Ognissanti. Jawohl, auf nach Borgo Ognissanti.
Er war einigermaßen überrascht, als er sich auf dem Kiesrondell vor dem Eingang zu seiner eigenen Wache im Palazzo Pitti wiederfand. Doch er blieb geduldig. Seine Geduld mit den Jungen und Unerfahrenen war unerschöpflich.
»Nein, nein! Nach Borgo Ognissanti. Ich will den Kompaniechef sprechen. Haben Sie denn nicht gehört, was ich sagte? Nun machen Sie nicht so ein Gesicht, davon geht die Welt nicht unter. Aber halten Sie in Zukunft Augen und Ohren besser offen …«
Sie machten kehrt und überquerten abermals den Fluß.
»Das reicht schon, ich steige hier aus. Gehen Sie was essen, ich komme dann zu Fuß zurück. Wird mir guttun.«
Fara war knallrot im Gesicht. Als er, perplex und verlegen, zum Palazzo Pitti zurückfuhr, faßte er den Entschluß, sich, bevor es noch schlimmer wurde, jemanden zu suchen, dessen Rat ihm weiterhelfen konnte.
Capitano Maestrangelo war in der Tat ein ernsthafter Mensch. Die Reporter vom Lokalblatt La Nazione nannten ihn – allerdings wohlweislich nur hinter seinem Rücken – das Grabmal. Ein Spitzname, der ebenso auf seine feierliche Würde anspielte wie auf seine Mitteilungsfreudigkeit gegenüber den Klatschkolumnisten.
Und trotzdem hätte es eines noch ernsteren Mannes bedurft, um sich bei Guarnaccias Anblick nicht ein leises Schmunzeln zu gestatten. Der Maresciallo, der ihm – die Hände fest auf die stämmigen Knie gepflanzt, eine tiefe Falte zwischen den Brauen – gegenübersaß, war gekommen, um zu beichten, daß es ihm nicht gelungen sei, einen äußerst verzwickten Fall in anderthalb Tagen zu lösen. Der Capitano schmunzelte allerdings nur still in sich hinein, denn er hatte keinesfalls die Absicht, den Maresciallo zu kränken, den er so hoch schätzte, daß Guarnaccia, wäre es ihm zu Ohren gekommen, diesen nicht getraut hätte. Im übrigen hatte Maestrangelo bereits erraten, wo das eigentliche Problem lag, und war zuversichtlich, daß Guarnaccia früher oder später auf den Punkt kommen würde. Denn mit den Jahren hatte er sich an die barocke sizilianische Ausdrucksweise seines Maresciallos gewöhnt und daran, daß der unweigerlich die längste und komplizierteste Verbindung von A nach B wählte. Auf die Weise kam man nur sehr langsam voran, doch Maestrangelo wußte aus Erfahrung, daß es noch länger dauerte, wenn man sich einer Verschnörkelung in den Weg stellte und sie geradezubiegen suchte. Das rief nämlich unweigerlich einen ganzen Schwall winzig kleiner Extraschnörkel auf den Plan, die den peinlichen Blick auf die nun so unverschämt direkt auf Punkt B zulaufende Gerade kaschieren sollten. Und manchmal verlor der Maresciallo dabei im Rankenwerk der Schnörkelchen den Faden. Darum verhielt der Capitano sich lieber hübsch ruhig und steuerte nur auf Wunsch in gehörigen Abständen ein passendes Gemurmel bei.
»Und wenn er wirklich eine andere hat, dann muß es doch Freunde geben, die darüber Bescheid wissen …«
»Bestimmt.«
Der Maresciallo blickte eine Weile fragend auf seine Hände nieder und stieß dann einen kurzen Seufzer aus, der fast wie ein Schnauben klang.
»Und auch das Geld … Ich weiß ja nicht, was so ein Schriftsteller verdient …«
»Nein, ich auch nicht.«
»Aber es könnte Geld da sein, von der Familie her. Die Tochter ist noch nicht aufgetaucht, und ich kann natürlich nicht einmal ausschließen, daß kein Dritter zugegen war. Obwohl ich mir vorstellen könnte, daß Forbes, falls noch wer da war, nicht zögern würde, die Verantwortung von sich abzuwälzen. Er war allerdings total betrunken. Und auch das ist eine komische Sache … daß ein Mann sturzbetrunken im Schlafzimmer liegt und gleich nebenan die Leiche seiner
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