Geburtstag in Florenz
eilten hinterdrein.
Der Maresciallo, der ihnen nachsah, dachte, daß sie gewiß auch bei solchen Ausflügen hin und wieder einnickte, vielleicht vor einem Gemälde, vielleicht sogar an einer roten Ampel, aber diese wohlerzogenen Leute würden natürlich kein Wort darüber verlieren.
Ihm fiel ein, daß er den Capitano, den tyrannische alte Damen noch mehr aus der Fassung brachten als ihn, bezüglich der Signorina Müller nicht um Rat gefragt hatte. Im übrigen hatte er den Eindruck, daß er anfing, sie zu mögen. Vom anderen Ende der Brücke warf er noch einen hoffnungsvollen Blick flußaufwärts auf der Suche nach jenem blauvioletten Streifen am Horizont, der den Fallwind aus den Bergen anzukündigen pflegte. Aber nichts. Die Rot- und Ockertöne des Ponte Vecchio wirkten gedämpft, die Hügel dahinter lagen unter einem Dunstschleier. Na ja, Hauptsache, der Wind kam, bevor die Grippe auch ihn erwischte. Bis jetzt hatte er Glück gehabt und war mit einer einzigen schweren Erkältung Ende November davongekommen. Unwillkürlich beschleunigte er seinen Schritt, wie um zu verhüten, daß der Virus ihn einholte.
»Du darfst dir halt nur nicht einbilden, er wär böse auf dich, auch wenn’s mal so aussieht.«
Der Maresciallo hatte den jungen Brigadiere Lorenzini vorübergehend mit der Leitung seines Büros betraut, und jetzt, um fünf Uhr nachmittags, war Lorenzini drin und redete. Guarnaccia zögerte an der Tür, im Ungewissen, ob der Brigadiere telefonierte oder Besuch hatte. Wenn es sich irgend vermeiden ließ, wollte er nicht stören. Doch, es war zweifelsohne jemand bei ihm, sprach aber so leise, daß man nur ein schwaches, bekümmertes Murmeln hörte, ohne den Wortlaut ausmachen zu können.
Lorenzini klang mitfühlend. »Ich weiß, ich weiß, aber es ist nichts Persönliches, glaub mir. So ist er halt manchmal, und es hat keinen Sinn, ihn drauf anzusprechen, weil er doch nicht hinhören, geschweige denn antworten würde.«
Neuerliches bedrücktes Gemurmel. Der Maresciallo zog seine Brille heraus und polierte die Gläser, bevor er sie wieder in die Tasche schob. Ein Kaffee wäre nicht verkehrt, sobald Lorenzini die Person, die da bei ihm war, abgewimmelt hatte.
»Das glaube ich dir unbesehen – und merk dir: Auch wenn’s vorbei ist, hat es keinen Sinn, ihn drauf anzusprechen, weil er sich dann nämlich nicht mehr erinnern kann und dir nicht glauben würde. Mach du nur ruhig deine Arbeit – und halt die Augen offen, denn wie schusselig er dir auch vorkommen mag … beinahe hätte ich gesagt: Er weiß, was er tut, aber natürlich weiß er’s nicht. Trotzdem tut er das Richtige, und wenn du dich anstrengst, kannst du auch ohne hilfreiche Erklärungen was lernen. So, und nun Kopf hoch! Es ist doch immer noch besser, als den ganzen Tag in der Bude zu hocken, oder?«
Ein gewandter Redner, dieser Lorenzini. Konnte gut mit Leuten umgehen, besonders mit Ausländern … sprach auch einigermaßen Englisch … Der Maresciallo warf einen Blick ins Dienstzimmer.
»Alles in Ordnung?«
»Jawohl.« Di Nuccio saß allein an der Funkvermittlung.
»Wo ist denn Fara?«
»Bei Lorenzini, dauert aber sicher nicht lange.«
»Ach …? Oh, da kommt er ja schon.«
Fara wurde rot wie eine Tomate, als er den Maresciallo sah, der ihm die Tür zum Dienstzimmer freigab und unverzüglich zu Lorenzini hinüberging.
»Können Sie mir ein Päckchen für die Staatsanwaltschaft herrichten, während ich den Papierkram erledige?«
»Wie groß?«
»Nur für ein paar Kapseln – ach, und legen Sie auch diese Packung bei, die mir der Apotheker gegeben hat. Wird dem Labor ein bißchen Zeit sparen, wenn sie die als Gegenprobe haben …. Was ist übrigens mit Fara los? Der Junge hat sich doch nicht in irgendwas reingeritten, oder?«
»Nein, er wollte bloß einen Rat von mir …« Lorenzini sah den Maresciallo forschend an und gestattete sich angesichts der ausdruckslosen Miene seines Chefs einen erklärenden Nachsatz: »Eigentlich hat er bloß ein bißchen Heimweh.«
»Na, da wird er bald drüber wegkommen – obwohl ich zugeben muß, daß diese Jungs heutzutage nicht so aussehen, als wären sie schon erwachsen genug für ihren Dienst. Aber das liegt vermutlich daran, daß ich alt werde, oder?«
»Ich fürchte, ja.« Lorenzini lächelte. »Aber mir geht’s genauso, jetzt, wo wir den Kleinen haben. Müssen wohl väterliche Gefühle dahinterstecken. Ach, was ich noch sagen wollte: Die Fotos und die Pläne von der Villa Torrini sind gekommen.
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