Geburtstag in Florenz
rutschte vom Tisch, griff nach Celia Carters bläulich-weißer Hand, drehte sie hin und her und betrachtete ihren Ehering. »Nach der gängigen Theorie war’s, sofern keine anderen Beweise auftauchen, immer der Ehemann.«
»Falls es überhaupt jemand war und wir es nicht doch mit einem Unfall zu tun haben.«
Der Pathologe sah zu ihm auf. »Was Sie nicht glauben.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Nein, nein …«
»Ich ehrlich gesagt auch nicht. Und ich wünschte, ich könnte Ihnen irgendwas Hilfreiches anbieten.«
Was er indes nicht konnte. Als der Maresciallo sich zum Palazzo Pitti zurückfahren ließ, gab er wieder keinen Ton von sich. Er war zu selbstgefällig gewesen, hatte sich darauf versteift, daß die Obduktion einen Mord zutage fördern und ihm eine Handhabe liefern würde, um gegen Forbes zu ermitteln. Nun, er hatte sich geirrt und durch diesen Irrtum wertvolle Zeit vergeudet. Er hätte die andere Frau ausfindig machen sollen, feststellen, was der Mann erben würde, ein Motiv ausgraben. Lauter Sachen, um die er sich hätte kümmern müssen, damit er, falls der Obduktionsbefund wunschgemäß ausgefallen wäre, gleich hätte loslegen können … Sie saßen unweit des Arnos im Stau fest und trugen ihr Teil zur Erhöhung der Ozonwerte bei, die den nächsten Alarm auslösen würde, gefolgt von wieder einem verkehrsberuhigten Tag und dann dem nächsten raschen Ansteigen der Werte.
Ein Bettler, der mit seinem Hut zwischen den eingekeilten Autos herumging, verdrückte sich, kaum daß er die beiden Uniformierten in dem dunklen Wagen sah. Ringsum liefen die Scheibenwischer auf Hochtouren. Der Maresciallo starrte hinter seinen dunklen Brillengläsern hervor auf die blaugraue Welt und marterte sich weiter mit Vorwürfen wegen seiner Langsamkeit, die man ihm schon von klein auf vorgehalten hatte, daheim, in der Schule, bei der Arbeit. Auch Teresa … ›Es ist, als ob man zur Wand redet! Vor einer halben Stunde hab ich dich gefragt …‹ Die Ampel sprang um, aber sie kamen nicht durch.
»Weiß man jetzt, woran sie gestorben ist?« Faras schüchterne Stimme streifte nur eben das Bewußtsein des Maresciallos, der gerade in Bausch und Bogen mit sich abrechnete: Nicht genug damit, daß er ein schlechter Zuhörer war, nein, er war obendrein auch noch eine Schlafmütze und so trantütig, daß er mit einem wie Forbes nicht einmal in dessen momentanem geschwächtem Zustand fertig werden konnte. Und zu allem Unglück würde natürlich auch Fusarri den vorläufigen Obduktionsbefund bekommen.
Wie er wohl reagieren würde? Er hatte doch sofort kapiert, daß der Maresciallo Forbes verdächtigte, also würde jetzt entweder der Maresciallo der Dumme sein oder der Staatsanwalt selber, weil er ihm immerhin geglaubt hatte. Guarnaccia hoffte inständig auf ersteres, denn andernfalls … Er hatte Fusarri noch nie wütend gesehen, aber schon allerlei Gerüchte gehört: daß der Mann ein Anarchist sei, daß er jeden überrannte, der sich ihm in den Weg stellte. Jeden! Einmal hatte er, wenn man dem Klatsch glauben durfte, sogar dem Oberstaatsanwalt die Stirn geboten. Natürlich stimmten solche Geschichten nicht immer, aber der Maresciallo, der ja nur ein kleiner Unteroffizier war, rechnete sich gegen Fusarri keine großen Chancen aus. Und was das allerschlimmste war: Er glaubte felsenfest, daß der ganze Kuddelmuddel in diesem Fall nur entstanden war, weil er die ganze Zeit solchen Hunger hatte.
Fasten sollte man in den Ferien, aber wenn ein Mann seinem Beruf nachgehen mußte … Dieser Mercedes mit dem kalabrischen Nummernschild parkte schon seit einer Woche unverändert an derselben Stelle; den würde er sich vorsichtshalber einmal näher ansehen, wenn er das nächste Mal zu Fuß hier vorbeikam. Eigenartig … Und nur ein Haus weiter war eine Spielhölle, was im Klartext hieß, daß dort Schwarzgeld gewaschen wurde. Er würde sich darum kümmern … Sie waren inzwischen in der Via Santo Spirito, steckten allerdings schon wieder im Stau. Am besten, er fuhr mal rüber nach Borgo Ognissanti ins Präsidium und sprach mit seinem Capitano. Capitano Maestrangelo war ein guter, ein ernsthafter Mann, der selbst schon einmal Ärger mit Fusarri gehabt hatte. Zwar war der Maresciallo damals auch dabeigewesen, hatte sich aber ganz im Hintergrund gehalten. Maestrangelo hatte die Sache auf seine Kappe genommen, und das war ihm bestimmt nicht leicht gefallen. Trotzdem hatten sich die beiden am Ende anscheinend mehr oder weniger
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