Geburtstag in Florenz
müssen. Wahrscheinlich kam beides zusammen.
Vor dem Kamin lag ein langfloriger weißer Teppich, und der Maresciallo achtete darauf, daß seine schwarzen Schuhe möglichst nicht mit ihm in Berührung kamen. Ein sehr gemütliches Zimmer, auch wenn er der Stabilität des Bambussessels mißtraute und sich entsprechend vorsichtig hinsetzte. Hübsch, aber zerbrechlich, dachte er und versuchte, sich ganz ruhig zu halten, denn sowie er sich bewegte, quietschte der Sessel unter ihm.
Forbes redete wie ein Wasserfall. Seit der Ankunft des Maresciallos hatte er kaum einmal Luft geholt. Er sprach in der Hauptsache von sich. Der Maresciallo hörte nicht hin – zumindest nicht auf den Inhalt, sondern nur auf die Laute, den Akzent, die Angst. Als Forbes endlich auch an den Kamin kam, brachte er zwei Tassen mit.
»Sie haben doch nur aus Höflichkeit nein gesagt, stimmt’s?« Jetzt immer noch abzulehnen wäre wohl übertrieben gewesen.
Dieser verfluchte Mistkerl! Hatte Signora Torrini nicht gesagt, Forbes erwiese ihr dauernd Gefälligkeiten, obwohl sie das eigentlich gar nicht wollte, nur um sich beliebt zu machen? Jetzt verstand er erst richtig, was sie damit meinte. Er hätte den ausgezeichneten Kaffee sehr gern getrunken, wenn nur ein anderer als Forbes ihn angeboten hätte. Wahrscheinlich war auch Signora Torrini froh gewesen, daß sich jemand um ihre Zitronenbäumchen kümmerte, doch dieser Jemand hätte ihr Sohn sein sollen. Trotzdem hatte Forbes seine Sache sicher sehr gut gemacht. So wie er auch jetzt einen guten Kaffee gekocht hatte. Wodurch alles nur noch schlimmer wurde. Und wie der Kerl redete! Er saß jetzt in dem Bambussessel ihm gegenüber, hatte die Beine übereinandergeschlagen, strich sich mit einem langen, überschlanken Finger den Bart und hatte den Ellbogen auf ein Knie gestützt. Dieses Knie zitterte. Nur ganz leicht zwar, aber es zitterte.
Wie schnell ihm die Haare ausgehen, dachte der Maresciallo mit einem Blick auf Forbes’ Geheimratsecken und eingedenk des fast kahlen Hinterkopfs. Trotzdem wirkte der Mann jugendlich. Vielleicht weil sein Teint so zart und rosig war, wie man das oft bei Nordeuropäern fand.
»In diesem Beruf darf man sich nicht von Gefühlen unterkriegen lassen, sonst ist man bald weg vom Fenster. Ich habe einen Termin, den ich unbedingt einhalten muß.«
»Beruf?« Der Maresciallo tauchte kurz aus seinen Gedanken auf. Seines Wissens hatte Forbes keinen Beruf.
»Na, der Artikel, den ich für eine englische Sonntagszeitung schreibe. Der muß spätestens morgen auf die Post. Und darum versuche ich trotz allem zu arbeiten. Sie hätte es so gewollt.«
Der Maresciallo starrte ihn an, trank gedankenlos einen Schluck Kaffee und stellte dann, ärgerlich auf sich selbst, die Tasse auf den niederen Bambustisch, der zwischen ihnen stand.
Wieder sah er Forbes durchdringend an, bevor er verkündete: »Ich bin hier, um Ihnen zu sagen« – Forbes hatte nicht einmal gefragt, warum er gekommen war –, »daß der stellvertretende Staatsanwalt den Leichnam Ihrer Frau freigegeben hat. Wahrscheinlich möchten Sie sie so rasch wie möglich beisetzen lassen – morgen schon oder spätestens übermorgen.«
»Tut mir leid. Meine Freunde, ein Ehepaar, das uns beiden nahesteht – sie ist Engländerin, er Italiener –, die werden das alles für mich übernehmen. Die beiden schätzen mich sehr und wissen, daß ich diesen Artikel unbedingt schreiben muß, und abgesehen davon, solchen Dingen einfach nicht gewachsen bin.«
»Für uns alle kommt einmal im Leben der Zeitpunkt«, erklärte der Maresciallo, »wo wir uns mit ›solchen Dingen‹ befassen müssen. Sagten Sie, diese Leute sind mit Ihnen befreundet, oder waren es Freunde von Ihrer Frau?«
Signora Torrini war vielleicht etwas tattrig, aber diesen Burschen hatte sie durchschaut, was Guarnaccia jetzt zugute kam.
Forbes’ Gesicht wurde zornrot. »Meine, wenn überhaupt. Besonders die Frau, Mary. Um ehrlich zu sein … na ja, sie war immer schon ein bißchen verliebt in mich. So etwas kommt vor, verstehen Sie – in gewissen Kreisen. Und da wird es auch durchaus akzeptiert.«
Wie schön, dachte der Maresciallo, besonders, wenn es darauf hinausläuft, daß andere einem das Begräbnis der eigenen Frau organisieren.
Forbes lehnte sich elegant zurück und spreizte eine Hand ab, eine Geste, die er offenbar den Italienern abgeschaut hatte.
»Ich hätte es nicht erwähnen sollen. Für jemanden wie Sie ist so was natürlich schwer zu verstehen, das
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