Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Titel: Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gruber
Vom Netzwerk:
Regel automatisch in eine Schreckstarre, wenn unser Leben massiv bedroht ist. Das heißt, wir sind dann zwar klar bei Bewusstsein und können denken: „Auweia, ich bin in Lebensgefahr“, aber wir können uns nicht bewegen und etwa den „Gefällt mir nicht“-Button anklicken. Wir bleiben stehen, schließen alle Körperöffnungen und stellen das Schwitzen ein.
    Menschen, die das sprichwörtliche Hasenpanier ergriffen haben, sind seinerzeit evolutionär ausgeschieden, diejenigen, die sich nicht bewegen und zufälligerweise auch gerade nicht schwitzen konnten, haben überlebt und sich für die nächste Runde in der Wahl zu unseren möglichen Vorfahren qualifiziert. Wenn Sie sich also mit einer Antilope in einem angeregten Gespräch in der Savanne befinden, und plötzlich taucht ein Löwe auf, dann sagen Sie zur Antilope: „Lauf, Bro’, ich halt ihn auf.“
    Doch zurück zum Gähnen. Wenn Schildkröten über diesen Skill verfügten, wären sie zur Empathie fähig, könnten sich also in andere Schildkröten hineinversetzen aka mitfühlen. Und Mitfühlen bringt soziale Vorteile. Zumindest beim Menschen wissen wir das. Wenn in unserer Nähe jemand gähnt, dann gähnen wir also aus Gewinnsucht mit? Das wissen wir nicht. Es ist nämlich nach wie vor nicht geklärt, warum wir gähnen. Wenn jemand behauptet, er weiß es, dann hat er es gerade erst herausgefunden oder er lügt.
    Aber wir wissen, dass wir in vielen Fällen unweigerlich mitgähnen müssen, wenn in unserer Nähe jemand gähnt, oder wenn auch nur davon gesprochen wird. Wenn ein Verwandter oder Freund gähnt, dann ist die Wahrscheinlichkeit übrigens höher, als wenn vor Ihrer Wohnung ein Mormonenmissionar gähnt, während Sie die Türe schon wieder schließen.
    Möglicherweise rührt das daher, dass Gähnen früher in Gruppen von Menschen angezeigt hat, dass einzelne Mitglieder müde wurden. Wie viel früher? Vor mehr als 100.000 Jahren. Juristisch längst verjährt, neurophysikalisch aber nicht. Die Effekte des Gähnens können als eine Art „synchronisierende Gruppenaktivität“ verstanden werden. Das heißt, der Erhalt der Gruppe war für das Überleben sehr wichtig, weshalb Gähnen ansteckend wurde, damit die ganze Gruppe rastet und zusammenbleibt. Wenn man müden Gruppenmitgliedern beschieden hätte, sie könnten ja später wieder aufschließen, dann hätte es die Gruppe bald nicht mehr gegeben.
    Und Schildkröten, diesen Einzelgängern, ist das egal? Das lässt sich so nicht sagen, denn außer beim Sezieren kann man in Schildkröten, wie auch in Menschen, nicht hineinschauen. Erdgeschichtlich gibt es Schildkröten jedenfalls viel länger als Menschen, wie wir sie heute kennen. Der Spielstand lautet: Schildkröten vs. Menschen: 200 Millionen Jahre zu zehn Millionen Jahre. Vielleicht ist mitfühlen also doch nicht so super. Vielleicht haben Schildkröten in der Weltgeschichte einfach deshalb so lange durchgehalten, weil sie so kaltherzige Drecksäcke sind. Wenn man einmal von der Suppenschildkröte absieht. Das war eher ein missglückter Franchise-Versuch.
    Für seine Erkenntnisse auf dem Gebiet des Schildkrötengähnens hat Ludwig Huber übrigens 2011 den Ig Nobel Prize verliehen bekommen. Ein Parallelpreis zum Nobelpreis, quasi der Spaß-Nobelpreis, der mittlerweile von echten Nobelpreisträgern verliehen wird und, bis aufs fehlende Preisgeld, eigentlich das coolere Event ist. Im selben Jahrgang hat auch der Australische Juwelenkäfer gewonnen. Natürlich nicht er selbst, sondern die australischen Biologen David Rentz und Darryl Gwynne, die er für seine Erforschung in Lohn und Brot gesetzt hat. Und zwar, weil sich das circa fünf Zentimeter lange Käfermännchen in seiner Freizeit gerne mit Bierflaschen beschäftigt. Wenn das kleine Australische Juwelenkäfermännchen nämlich eine bestimmte, stumpenförmige Flasche eines in Australien sehr beliebten Bieres findet, die deutlich größer ist als es selbst, dann beginnt es sie zu begatten.
    Na gut, wenden Sie zu Recht ein, sexuelle Selbstüberschätzung im Zusammenhang mit Bier kennt man auch von Menschenmännchen. Der Käfer trinkt das Bier aber nicht, ihm gefällt nur die Flasche. Vermutlich aufgrund eines glänzenden Musters auf ihr, das dem des Juwelenkäferpanzers ähnelt. Alles ist so, wie er es von der Natur als Schlüsselreiz für Paarung einprogrammiert bekommen hat, nur größer und toller. Der Käfer hält die Flasche für ein Superweibchen mit Megakurven und lässt nicht mehr locker. Auch

Weitere Kostenlose Bücher