Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
man hier den Teufel mit dem Beelzebub austreibt.
* Im Drogenkontext gilt die Bezeichnung Flashback heute als informell, wissenschaftlich unpräzise und veraltet, man spricht von Persistierenden Wahrnehmungsstörungen beziehungsweise von HPPD. 24
** Der Titel geht auf eine Zeichnung von John Lennons Sohn Julian zurück, der in ihr seine Kindergartenfreundin Lucy verewigt hatte.
Fly, Robin, Fly
Mit einer LSD-Therapie wird man sexuell ausgehungerten Fruchtfliegenmännchen also noch keine Hoffnung machen können. Die gehen nämlich, ähnlich wie ihre frustrierten menschlichen Pendants, gerne zum Wein, wenn es mit den Frauen nicht so klappt. Das zumindest ergab eine Studie von Galit Shohat-Ophir und seinem Team von der University of California in San Francisco mit dem prosaischen Titel: Sexual Deprivation Increases Ethanol Intake in Drosophila . 25
Man brachte die Fliegenmännchen in Stimmung, aber nicht durch Hochglanzmagazine oder XXX-Movies, sondern durch Duftstoffe. Dann durften sie sich entweder mit einem Weibchen paaren, oder dieses hatte gerade keine Lust. Nicht weil das Gegenüber schon eine Fahne hatte, sondern weil das Weibchen bereits begattet worden war. Mit Händen und Füßen wehrten sich die Weibchen, erfolgreich, gegen die Annäherungsversuche. Das blieb nicht ohne Folgen. Den Männchengruppen wurde anschließend eine Jause angeboten. Eine war mit Ethanol versetzt, also mit Alkohol, die andere nicht. Und wie in einem schlechten Witz spazierten die frustrierten Männchen eher zum Schnaps, und die befriedigten eher nicht. Das, was man auf jedem Studentenheimfest beobachten kann, gibt es jetzt also auch schriftlich: Eine Zeit lang bleibt das Trinkverhalten aller männlichen Partygäste einigermaßen im Rahmen, aber wer ab einem bestimmten Zeitpunkt zu fortgeschrittener Stunde keine Sexpartnerin gefunden hat, der greift hemmungslos zum Alkohol. Das änderte sich, zumindest bei den Fliegen, wenn die bis dahin zurückgewiesenen Männchen wieder mit paarungsbereiten Weibchen Umgang bekamen. Sofort gingen die Männchen duschen, Zähne putzen und versuchten wieder, als nüchterne Zeitgenossen an der Evolution teilzunehmen. Bildlich gesprochen natürlich. Weiß man, warum? Nein. Aber es gibt eine Vermutung. Denn Sex wie auch Alkohol wirken auf das Belohnungssystem im Gehirn. Und nach sexueller Aktivität wird im Gehirn viel Neuropeptid F ausgeschüttet. Neuropeptide sind Botenstoffe, die vom Gehirn ausgeschüttet werden und im Körper verschiedene Aufgaben anfeuern oder hemmen, etwa für Stimmungsaufhellung sorgen oder für Schmerzunempfindlichkeit bei Schock. Bei der männlichen Fruchtfliege sorgt das Neuropeptid F nach dem Sex möglicherweise für Zufriedenheit, denn ohne Sex hat es weniger davon. Nach Alkoholkonsum wieder mehr. Wenn man bei Männchen, denen die Paarung verweigert worden war, die Ausschüttung des Neuropeptids künstlich anregte, blieben sie dem Alkohol in der Regel fern.
Geht das auch beim Menschen? Grundsätzlich haben auch wir Neurotransmitter, aber wie so oft lassen sich Ergebnisse aus Tierversuchen natürlich nicht so einfach auf den Menschen umlegen. Denn eine Fruchtfliege ist sehr klein, im Vergleich zu einem Menschen sogar extrem klein, und funktioniert neuronal entsprechend schlichter. Sie hat ja auch viel weniger Lebenszeit, um Problemlösungskompetenz zu erwerben. Deshalb greift sie zu drastischen Mitteln, um ihre Gene sicher in die nächste Runde zu bringen. Sie injiziert dem Weibchen gleichzeitig mit dem Ejakulat ein Protein, das dafür sorgt, das die Weibchen nach erfolgreicher Samenablage (die Weibchen nehmen in der Regel mehrere Samenpakete entgegen und befruchten dann nach Vorselektion selber) deutlich an Lust verlieren, sich weiter zu paaren, und die Eiproduktion hochfahren, wodurch sie auch nicht mehr so viel Kapazität für eine weitere Paarung haben. Das Protein dürfte sich im Schwanz des Spermiums befinden, weshalb Fruchtfliegen ungewöhnlich große Spermien herstellen, manche Arten sind selber nur drei Millimeter groß und produzieren knapp sechs Zentimeter lange Spermien. Das heißt, wenn die sexuelle Annäherung erfolgreich war, dann könnte das Männchen eigentlich beruhigt zum Schnaps gehen. Und hier kommt es dann doch zu einer Analogie zum Menschen. Wenn Frauen ein Kind von einem Alkoholiker haben, dann tun sie sich im Weiteren bei der Partnersuche mitunter schwerer, weil sie damit rechnen müssen, dass der trunksüchtige Vorgänger des nächsten Partners
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