Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
Nase der Spermien wurde als Maiglöckchenphänomen bekannt. Das wäre sehr romantisch gewesen, wenn das Spermium seine Liebste an ihrem unwiderstehlichen Wohlgeruch erkennt und so ein Menschenkind der Liebe entsteht.
Leider stimmt die Theorie nicht, neuere Untersuchungen haben ergeben, dass Spermien olfaktorisch doch nicht so begabt sind und immer der Nase nach den Weg zum Break-even erschnuppern. Die ganze Poesie rund um die Samenzellen des Mannes ist also wieder dahin. 19 Dabei hätte der Gedanke an Maiglöckchenduft vielleicht vielen Menschen geholfen, die den Geschmack von Sperma nicht mögen, aber damit konfrontiert sind.
Eine Erklärung, warum männliche Samenzellen keinen Wohlgeschmack verbreiten, lautet, dass es evolutionär nicht sinnvoll sei, diese mit dem Aroma einer Süßspeise anzubieten, weil ihr Bestimmungsort ein anderer sei als der Gaumen. Weil die chemische Zusammensetzung der Samenzelle auf ihrer großen Fahrt ins Glück helfen soll und nicht zu einer guten Gastrokritik 20 , könne man ihren Geschmack auch nicht durch Ernährung beeinflussen. Aber es gibt, neben unzähligen Berichten von Selbstversuchen, auch wissenschaftliche Hinweise, dass das doch möglich sein könnte.
Das weiß man, weil es in der Wissenschaft von Interesse ist, das Löslichkeitsverhalten von Stoffen im menschlichen Körper zu kennen. In diesem befinden sich einzelne Zellen, und zwischen den Zellen gibt es extrazelluläre Flüssigkeit. Diese Flüssigkeit entspricht dem Blut, allerdings fließt das Blut auf zellulärer Ebene nicht mehr durch die Adern und Venen wie durch Rohre, sondern es diffundiert durch das Gewebe. Dadurch können die einzelnen Moleküle leichter in die einzelnen Zellen gelangen und damit versorgen. Aber der Körper kann nicht alles brauchen, was er zu sich nimmt, und scheidet manches als Abfall auch wieder über Leber und Nieren aus. Dieser Abfall, insbesondere spezielle Geschmacks- oder Geruchsmoleküle, wandert aber, bevor er ausgeschieden wird, durch den gesamten Körper. Und hinterlässt da und dort, unter anderem im Sperma, Spuren. Daher scheinen die Aromabeurteilungen, die man im Internet zuhauf findet, teilweise doch zu stimmen. Angeblich wird Sperma ein wenig süßer, wenn man viel Ananassaft trinkt – aber nicht zu viel, sonst fallen die Zähne aus, wie wir wissen –, und wenn man die Diät auf Zigaretten und Kaffee reduziert, dann soll sich das Aroma in Richtung smoked flavour verändern. Von Räuchersperma zu sprechen ginge aber sicherlich zu weit. Auf dieselbe Weise, wie Geschmacksmoleküle das Bouquet von Sperma beeinflussen können, können Farbmoleküle die Färbung eines Hühnereidotters verändern. Wenn man Hühnern grüne Lebensmittelfarbe ins Futter mischt, wird der Dotter grün, bei roter wird er rot. Blaufärben geht auch, ist aber nicht ganz einfach. Weil viele Menschen lieber orange als hellgelbe Dotter mögen, wird gewerbsmäßig dem Hühnerfutter auch Paprikapulver beigemengt. Beim Sperma kann man farblich nicht arbeiten, aber es fluoresziert im Dunkeln bei Bestrahlung durch UV-Licht. Wenn Hänsel auf dem Weg durch den dunklen Wald das damals gewusst und eine UV-Lampe dabeigehabt hätte, hätte er andere Wegmarken verwenden können als Brotbrösel, und die Geschichte mit der Knusperhexe wäre heute nicht im kollektiven Gedächtnis verankert.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind aber nicht in erster Linie am Geschmack interessiert, das überlassen sie getrost den Hobbyforschern. Sie interessieren sich etwa dafür, warum Sperma manchmal quasi wie ein Antidepressivum wirkt. Die Untersuchungen von Gordon Gallup von der State University of New York ergaben, dass einzelne Bestandteile des männlichen Samens, unter anderem Hormone wie Testosteron, Östrogen und das follikelstimulierende Prolactin, stimmungsaufhellend wirken könnten. 21 Bisher wurde lediglich die Aufnahme dieser Stoffe mittels vaginaler Absorption untersucht. Es ist nur noch nicht ganz klar, was genau von welchen Hormonen in welcher Dosis bewirkt wird. Testosteron kann in Übermaßen zu einer Depression führen, aber umgekehrt in zu geringer Dosis ebenfalls. Dazwischen ist es vielleicht stimmungsaufhellend. Ob auch die orale Gabe antidepressiv wirken könnte, wurde noch nicht untersucht, auf dem Weg zum Hausmittel ist diese Therapie also noch nicht.
Lucy in the Sky with Diamonds
Diese Probleme haben Tiere wie die Grüne Bonellia nicht. Die Grüne Bonellia gehört zu den Igelwürmern, worunter man sich
Weitere Kostenlose Bücher