Gedankenmörder (German Edition)
anrufst. Ich hatte schon mehrere Versuche unternommen, dich zu erreichen.»
«Das habe ich bemerkt. Ich hoffe, du hast einen triftigen Grund, mich aus meiner Besprechung herauszureißen», knurrte Steenhoff. «Jedem anderen Reporter würde ich jetzt gehörig den Marsch blasen. Aber schieß schon los, bevor du auch noch den Polizeipräsidenten anrufst und ihm dein Klagelied darüber singst, dass du mich nicht erreichst.»
Ohne auf Steenhoffs wütenden Unterton einzugehen, kam Andrea Voss gleich zur Sache.
«Vor einer Stunde hat sich eine Frau aus Findorff bei uns in der Lokalredaktion gemeldet. Sie war völlig aufgelöst. Ihre zwei Katzen lagen tot im Garten.»
«Ja und?», sagte Steenhoff ungeduldig.
«Jemand hat den Tieren den Bauch aufgeschlitzt.»
«Das scheint in Mode zu kommen», antwortete Steenhoff sarkastisch. «Hast du etwa wegen eines bescheuerten Katzenmörders so viel Wind gemacht?»
«Nein, nicht deswegen.»
Andrea Voss’ Stimme vibrierte.
«Sondern?», hakte Steenhoff ungeduldig nach.
«Die Frau hat in den geöffneten Bauchhöhlen ihrer Katzen rote Tücher entdeckt.»
24
Einen Augenblick lang fühlte sich Steenhoff wie gelähmt. Er konnte nicht glauben, was er eben gerade gehört hatte. «Sag das noch mal, Andrea», forderte er die Reporterin auf. Die Frau seufzte erleichtert auf.
«Endlich begreifst du, warum ich dich unbedingt erreichen wollte. Also: Die Frau hat sich bei uns nur gemeldet, weil sie sich auf dem Findorffer Revier, wo sie ihre Anzeige aufgeben wollte, nicht ernst genommen fühlte. Sie wollte, dass ich eine Warnung für alle Katzenbesitzer schreibe, dass ein Tierquäler in ihrem Stadtteil umgeht. Erst nachdem ich länger mit ihr gesprochen hatte, erzählte sie die Geschichte mit den roten Tüchern. Und da habe ich mich natürlich sofort an unser Gespräch vor einigen Wochen erinnert.»
«Andrea, wer ist diese Frau und wo sind ihre toten Katzen?», sagte Steenhoff gepresst.
Die Reporterin gab ihm Namen und Telefonnummer der Frau. Zehn Minuten später saßen Steenhoff, Petersen und Rüttger im Auto nach Findorff. Die anderen sollten Kontakt mit Peter Smidt, dem Leiter der Jugendfarm, aufnehmen. Steenhoff hatte seine Kollegen kurz informiert, dass auch dort in den vergangenen Monaten Tiere zu Tode gequält worden waren.
Die beiden Beamten sollten Smidt gezielt nach roten Tüchern in den Leibern der Tiere fragen. Steenhoff hoffte, dass Smidt die Tiere nicht zum Abdecker gebracht, sondern sie einfach irgendwo auf dem Gelände vergraben hatte. In dem Fall sollten Block und Wessel die Tiere bergen und in die Rechtsmedizin bringen. Steenhoff fühlte, wie ihm der kalte Angstschweiß bei dem Gedanken ausbrach, der Täter könnte sich in den vergangenen Monaten auch auf der Farm herumgetrieben haben.
Noch auf dem Weg nach Findorff wählte er Maries Handynummer. Aber seine Tochter antwortete mal wieder nicht. Anders als viele ihrer Freunde betrachtete sie den Besitz eines Handys nicht etwa als «cool», sondern als Kontrollmöglichkeit für ihre Eltern, die so ständig erfahren konnten, wo sie sich gerade aufhielt. Deshalb ließ sie das Handy oft in einer Tasche oder gleich ganz zu Hause liegen. Zum Glück hatte sich Steenhoff vor einiger Zeit die Handynummer ihrer Freundin Sarah geben lassen.
Nach fünfmaligem Klingeln ging das Mädchen endlich ran. Erleichtert bat Steenhoff Sarah, ihm kurz seine Tochter zu geben.
«Tut mir leid. Marie ist nicht hier», sagte Sarah ruhig.
«Wieso das denn? Sie schläft doch bei euch?», fragte Steenhoff verdutzt.
«Ja, aber heute Nacht wollte sie mal bei Beatrice, einer gemeinsamen Klassenkameradin von uns, übernachten und dann morgen wieder nach Hause fahren.»
Sarah kicherte verlegen.
«Ihre Tochter hat übrigens noch einen Anschlag auf Sie vor.» Steenhoff spürte, wie er ungeduldig wurde.
«Was für einen Anschlag?»
«Sie möchte unbedingt mit Ihnen und Beatrice zu dem Bon-Jovi-Konzert nach Hannover. Die beiden reden über nichts anderes mehr und wollten heute den ganzen Abend nur Musik hören. Da habe ich mich mal ausgeklinkt.»
Der monströse Schatten, der plötzlich von rechts auf ihn zuraste, ließ Steenhoff wie vom Blitz getroffen zusammenzucken.
«Pass auf, Manfred», schrie Steenhoff, dann wurde er auf seinem Beifahrersitz nach rechts geworfen. Einen Moment geriet ihr Fahrzeug ins Schleudern, aber der erwartete Zusammenstoß mit dem Sattelzug blieb aus. Nach einigen Metern hatte Rüttger das Auto wieder unter
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