Gedankenmörder (German Edition)
entgegnete Marie trocken.
Bevor Steenhoff sich verteidigen konnte, ging die Tür des Restaurants auf und zwei junge Frauen kamen lachend herein. Steenhoff, der mit Marie in der hintersten Ecke des Restaurants und abgeschirmt von einem Drachenbaum saß, erkannte in einer der beiden Petersen wieder. Sie hatte ihren Kollegen allem Anschein nach nicht bemerkt und setzte sich mit ihrer Bekannten ein paar Meter entfernt mit dem Rücken zu ihm.
Marie hatte unterdessen eine Lobeshymne auf Daniel angestimmt. Daniel könne phantastisch mit Tieren umgehen. Sie berichtete Steenhoff, wie Daniel vor einigen Wochen ein frei laufendes Hängebauchschwein, das sich an einem Stück Draht verletzt hatte und das der Tierarzt bereits einschläfern wollte, wieder liebevoll aufgepäppelt hatte. Auch Ferdinand sei dank seiner Pflege so gut wie gesund.
«Wer ist Ferdinand?», fragte Steenhoff zerstreut.
Er überlegte die ganze Zeit, ob er aufstehen und Petersen begrüßen sollte. Die beiden Frauen wirkten aber so ins Gespräch vertieft, dass er sie nicht stören wollte. Außerdem wollte er Marie das Gefühl geben, heute Abend ganz und gar für sie da zu sein. Er würde einfach beim Hinausgehen kurz an Petersens Tisch gehen, nahm er sich vor.
«Ferdinand ist der junge Ziegenbock, den wir vorhin verarztet haben», hörte er Marie sagen und war schon wieder abgelenkt.
Petersens Bekannte ergriff während des sehr intensiven Gesprächs immer wieder die Hand der Polizistin und strich ihr plötzlich zärtlich über die Wange. Steenhoff musste an das Thema «beste Freundinnen und ihre Geheimnisse» denken. Offenbar wusste seine Kollegin aus eigener Anschauung, wie eng und vertraut manche Frauen miteinander umgingen. Auf einmal beugte sich die blonde Frau vor und gab Petersen einen langen zärtlichen Kuss auf den Mund. Die ließ es ohne Proteste geschehen.
«Und hast du auch Lust dazu?», holte ihn Marie wieder zurück an ihren Tisch.
Steenhoff sah seine Tochter sprachlos an. Einen kurzen Moment fühlte er sich ertappt. Er merkte, dass er keine Ahnung hatte, wovon seine Tochter sprach.
«Na, Bornholm», half Marie nach.
«Was ist mit Bornholm?»
Marie stöhnte genervt auf. «Ob du dich auch so freust auf unseren Urlaub in diesem tollen Haus, das Mama vermietet?»
Steenhoff schaute sie verwundert an.
«Das war bislang nichts als eine Idee von Ira. Tatsächlich wissen wir noch gar nicht, wo wir in den Ferien Urlaub machen wollen.»
«Auf Bornholm», entgegnete Marie störrisch.
«Wenn Ira morgen wieder da ist, werden wir zu dritt darüber sprechen», beendete Steenhoff das Thema. Ein paar Minuten später zahlte er. Auf dem Weg zur Tür machte er einen Schlenker und ging an Petersens Tisch.
Sein Gruß löste völlig unterschiedliche Reaktionen aus. Während die blonde Frau ihm neugierig, aber freundlich zunickte, schien Petersen zu gefrieren. Steenhoff bemerkte, wie sie die Hand ihrer Bekannten losließ.
«Bitte lassen Sie sich nicht im Gespräch stören. Ich war mit meiner Tochter essen und wollte nur kurz hallo sagen.»
Petersen schien das überraschende Auftauchen ihres Kollegen völlig aus dem Konzept zu bringen.
«Ich, äh, sind Sie schon lange da? Ich hatte Sie gar nicht bemerkt.»
«Ja», entgegnete Steenhoff ruhig. «Aber wir wollen gleich noch ins Kino. Das ist übrigens meine Tochter.»
Steenhoff rief nach Marie, die so lange an der Tür auf ihren Vater gewartet hatte, und stellte sie den beiden Frauen vor. Petersen schüttelte Marie freundlich die Hand und stellte nun ihrerseits ihre Tischnachbarin vor.
«Das ist Vanessa. Eine langjährige Freundin von mir.»
Die schlanke Frau stand auf, gab erst Steenhoff und dann Marie lächelnd die Hand und sagte ruhig: «Freundin ist ein wenig untertrieben. Ich bin Navidehs Lebensgefährtin.»
15
An den folgenden Morgen erinnerte sich Steenhoff später nur ungern. Nach der verblüffenden Offenbarung von Petersens Freundin hatte er in dem Restaurant irgendeinen unverfänglichen Satz gemurmelt und sich schnell verabschiedet.
In der Nacht hatte er beschlossen, Petersen mit keinem Wort auf die Begegnung anzusprechen. Schließlich, so sagte er sich, war es die normalste Sache der Welt, dass Frauen andere Frauen liebten. Dennoch hatte er lange wach gelegen.
Am nächsten Tag wurde die Tür seines Büros um kurz nach acht aufgerissen. Steenhoff tat, als sei er völlig von der Nachricht auf seinem Computer in Anspruch genommen. Er grüßte Petersen knapp und vertiefte sich wieder in
Weitere Kostenlose Bücher