Gedankenmörder (German Edition)
jetzt musste er sich wieder mit denjenigen seiner Kollegen herumschlagen, die ihn am liebsten hinter der Absperrung sahen.
Steenhoff erkannte in einem der weißen Einmal-Overalls Gerhard Marlowski.
Er knurrte jeden an, der es wagte, der Toten zu nahe zu kommen und damit womöglich neue Spuren zu legen. Als er Steenhoff erblickte, kam er direkt auf ihn zu.
«Das sieht verdammt nach eurem Täter aus.» Steenhoff nickte grimmig.
«Ich muss dir zwei Dinge zeigen», sagte Marlowski und forderte ihn auf, näher zu kommen.
«Die anderen bleiben hinter der Absperrung», wandte er sich brüsk an Rüttger und Wessel, die inzwischen auch am Fundort eingetroffen waren. Aus dem Augenwinkel sah Steenhoff, dass ein neugieriger Spaziergänger quer durch den Wald gegangen war und damit die erste Absperrung der Schutzpolizei umgangen hatte. Er stand im Schatten der Bäume und beobachtete die Beamten aufmerksam bei ihrer Arbeit.
Unwirsch machte Steenhoff seine Kollegen auf den Mann aufmerksam. «Kümmert euch um den. Wir können hier keine Zuschauer gebrauchen.»
Wessel ging mit energischen Schritten auf den sensationslustigen Spaziergänger zu. Bevor er ihn jedoch erreichte, hob dieser beschwichtigend beide Hände und ging in Richtung Straße davon.
Steenhoff wandte sich wieder Marlowski zu. Dieser zeigte auf die Schnitte im Oberkörper der Frau.
«Die sind gleichmäßig angebracht, und manche sehen aus wie ein Buchstabe.»
Steenhoff sah konzentriert auf die Verletzungen und versuchte eine plötzliche Welle von Mitgefühl für die Frau beiseitezuschieben.
«Manche Wunden erinnern an ein V», sagte er. Marlowski nickte.
«Die Schnitte sind so sauber ausgeführt, dass man annehmen muss, dass die Frau wohl schon tot war, als er an ihr rumgeschnitten hat.»
«Was sagen Sie dazu?», wandte sich Steenhoff an den Gerichtsmediziner, der gerade die Temperatur der Frau maß, um damit Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt zu ziehen.
«Ich staune, wie viele Fachleute mich umgeben», sagte der Mediziner sarkastisch.
Marlowski warf ihm einen bösen Blick zu, erwiderte aber nichts.
Steenhoff hatte den Gerichtsmediziner, der erst vor einigen Wochen seinen Dienst beim Gerichtsmedizinischen Institut angetreten hatte, erst einmal getroffen. Die zur Schau getragene Arroganz des Mannes ärgerte ihn. Hier war kein Platz für Eitelkeiten. Sie hatten keine Zeit zu verlieren.
«Also? Ihre Meinung ist gefragt. Was sagen Sie?», forderte Steenhoff ihn erneut auf zu reden.
Der Mann warf einen kurzen Blick auf sein Thermometer, machte sich in nervenaufreibender Ruhe ein paar Notizen und sah dann Steenhoff direkt an.
«Ihr Kollege hat recht. Die Schnitte sind postmortal erfolgt.»
«Gott sei Dank», entfuhr es Steenhoff ungewollt.
Ungerührt sprach der Mediziner weiter. «Aber als er ihr die Brust zerbissen hat, da lebte sie noch.»
Er bückte sich und hob einen Arm der Toten hoch. Ein tiefroter Streifen zeichnete sich um das Handgelenk ab.
«Die Arme waren gefesselt, während er sie gebissen hat. Sie muss sich verzweifelt gewehrt haben. Nach den Flecken und Abdrücken an ihren Mundwinkeln hat er sie vermutlich geknebelt. Anschließend hat er sie vermutlich erwürgt und ihr die Fesseln oder Handschellen wieder abgenommen.»
Steenhoff hasste den Rechtsmediziner plötzlich für seine geschäftsmäßige Art. Was wollte der ihnen eigentlich beweisen? Er schluckte seine Wut herunter und fragte stattdessen: «Wissen Sie schon, wie lange sie tot ist?»
«Die Leichenstarre ist noch voll ausgeprägt. Wenn ich ihre noch vorhandene Körpertemperatur mit der Umgebungstemperatur vergleiche, muss die Tat sechs bis acht Stunden zurückliegen. Aber das ist nur eine erste grobe Schätzung. Außerdem ist ihre Kleidung feucht, und die Haare sind es auch. Irgendwann muss es heute Nacht geregnet haben. Wenn Sie herausfinden, wann das war, könnte das bei der Zeitbestimmung sehr helfen. Zumal die untere Schicht der abgelegten Kleidung trocken ist. Das heißt, als es anfing zu nieseln, war sie schon tot.»
Steenhoff sah sich nach Petersen um. Sie sollte den Meteorologen beim Flughafen anrufen, um die Wetterdaten zu erfragen, doch er konnte seine Kollegin nicht sehen. Er gab den Auftrag an Wessel weiter.
«Was wolltest du mir noch zeigen?», wandte er sich wieder an Marlowski.
Sein Kollege brummte ein paar unverständliche Worte und führte ihn zu dem kleinen Unterstand, an dem an einer Seite eine einfache, hölzerne Bank stand. Steenhoff konnte
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