Gedankenmörder (German Edition)
Moment weitertoben.
«Im Spätsommer vergangenen Jahres wurde bei Ihnen eingebrochen. Das haben Sie angezeigt. Die Verstümmelungen an einer Frauenleiche haben Sie aber den Angehörigen und der Polizei verschwiegen.» Steenhoff hatte bewusst übertrieben. Ein alter, wenn auch unzulässiger Trick, um widerspenstige Zeugen aus der Deckung zu locken. Der Mann schnaubte empört und reagierte wie erhofft.
«Verstümmelungen! Was für ein Quatsch. Die Frau war nur stark geschminkt.»
«Sie geben also zu, dass der Einbrecher an der Toten manipuliert hat», mischte sich erstmals Petersen in die Befragung ein. Der Mann merkte sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte.
Er schwieg und zündete sich nervös eine Zigarette an.
«Also?» Steenhoff sah den Mann streng an.
Doch der Zeuge saß mit verschränkten Armen in seinem Stuhl und sah stumm zum Fenster hinaus.
«Hören Sie. Sie können mit uns zusammenarbeiten oder es sein lassen. Aber dann werden wir uns hier jeden einzelnen Ihrer Mitarbeiter vorknöpfen. Und in einer halben Stunde ist die Spurensicherung in Ihrer Firma drin.»
Steenhoff griff zu seinem Handy. Während er demonstrativ eine Nummer eingab, fügte er beiläufig hinzu: «Wir werden natürlich im Interesse Ihres Unternehmens versuchen, die Presseleute außen vor zu lassen. Aber da die immer schnell Wind von so einer Polizeiaktion bekommen, wäre es besser, Sie würden einen Mitarbeiter abstellen, der sich an der Zufahrt zu Ihrem Grundstück platziert.»
Im Gesicht des Bestatters spiegelte sich Panik.
Der Mann zerquetschte seine gerade angezündete Zigarette in einem vollen Aschenbecher, fluchte ein paar unverständliche Worte und gab schließlich wütend nach. «Okay. Fragen Sie.»
Steenhoff belehrte den Zeugen, während Petersen einen Notizblock hervorholte.
In der fast zweistündigen Befragung bestätigte der Bestatter alle Vorfälle, über die der Informant von Andrea Voss berichtet hatte. Zugleich beharrte er jedoch darauf, dass es der erste und bislang letzte Einbruch in sein Unternehmen gewesen sei.
«Für die Zukunft habe ich vorgesorgt.»
Zum Beweis führte er die Beamten durch alle Räume. Tatsächlich waren alle Fenster mit geschwungenen Gittern versehen. Die zwei Türen besaßen ein gewaltiges Sicherheitsblech und eine Bandsicherung.
«Bei mir kommt so ein Schwein nicht mehr rein», sagte der Bestatter und blieb bei der Tür stehen.
Doch Steenhoff war mit seiner Befragung noch nicht am Ende. War die Frau nur ein Zufallsopfer, oder gab es ein Muster, das alle vier Frauen verband, einen gemeinsamen Bekannten oder doch ein Hobby? Und woher wusste der Täter überhaupt, dass eine Frau bei dem Bestatter aufgebahrt war? Zumindest die letzte Frage konnte der Bestatter beantworten.
«Na, in der Zeitung war natürlich eine Todesanzeige. Viel zu früh und unfassbar, aus der Mitte des Lebens – das übliche Trauerblabla.»
Der Mann holte sich eine neue Zigarette aus der Schachtel in seiner Hemdtasche und steckte sie sich, ohne sie anzuzünden, in den Mund.
«Haben Sie die Anzeige der Familie bei Ihren Unterlagen?», fragte Petersen.
«Wollen Sie jetzt auch noch in meinen Papieren rumschnüffeln?», fuhr sie der Mann ärgerlich an.
Steenhoff merkte, wie er ein Gefühl von Abscheu unterdrücken musste.
«Wir brauchen noch die Adresse der Familie und die Todesanzeige. Das wär
’
s dann erst mal für heute.»
Der Bestatter protestierte schnaubend, griff aber nach einem Ordner und blätterte flink durch seine Abrechnungen. Im Gegensatz zu seinem chaotisch anmutenden Büro schienen seine Unterlagen ordentlich geführt.
«Da. Das ist sie.»
Steenhoff beugte sich über die Anzeige. Als Erstes blieb sein Blick an dem Foto einer fröhlich in die Kamera schauenden Frau hängen. Über der Anzeige stand in gefetteter Schrift: «Es tut so weh.»
Neben ihrem Mann Jan hinterließ sie auch einen Sohn. Sie war erst 39 Jahre alt, als sie ein Lastwagenfahrer morgens auf dem Weg zur Arbeit beim Abbiegen übersah.
Steenhoff bat um eine Kopie der Rechnung und der Anzeige. Danach machten sie sich auf den Weg zurück zum Präsidium.
«Lieber wäre ich irgendwo verscharrt, als mich von diesem Kerl unter die Erde bringen zu lassen», brach Petersen plötzlich das Schweigen zwischen ihnen.
«Allerdings», sagte Steenhoff und nickte grimmig.
«Typen wie den findet man sonst nur auf Schrottplätzen.»
Im Präsidium wartete die Sekretärin Marianne Schwenning bereits mit einer Nachricht auf
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