Gedankenmörder (German Edition)
Irgendwann reichten die Vorstellungen nicht mehr aus, um sie sexuell zu stimulieren. Beide begannen noch vor ihrem 30 . Lebensjahr zu morden. Der eine hatte am Ende sechs Frauen getötet, der andere mehr als zehn. In die FBI -Fachliteratur sind sie als «Gedankenmörder» eingegangen. Inzwischen sind einige Psychiater davon überzeugt, dass jemand, der sich permanent mit sexuellen Tötungsphantasien beschäftigt, sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eines Tages umsetzen wird. Da kein Mord so perfekt ist wie der, der in der eigenen Phantasie abläuft, und jedes Opfer sich anders verhält, müssen sie immer wieder zuschlagen. Jedes Mal versuchen sie ihrer ausgefeilten, detailbesessenen Phantasie noch ein Stück näher zu kommen. Aber kommen wir zu unserem Täter. Die Fallanalytiker gehen davon aus, dass er intelligent ist, sehr penibel und dazu neigt, alles in seinem Leben bis ins letzte i-Tüpfelchen zu planen. Er zieht große Befriedigung aus den Reaktionen seiner Opfer oder den phantasierten Reaktionen der Menschen, die seine zugerichteten Opfer am nächsten Tag finden. Im Falle der Ukrainerin hat er sich vermutlich an den Schmerzen und der Todesangst der jungen Frau geweidet.»
Steenhoff ließ die Ergebnisse der Fallanalytiker einen Moment lang auf seine Kollegen wirken. Dann fuhr er fort: «Beide Täter in den USA haben übrigens Videos von ihren Opfern gedreht. Nicht um damit Geld zu verdienen, sondern auch um sich an den Qualen der Frauen immer wieder zu ergötzen. Außerdem haben sie von jedem Opfer eine Art Souvenir behalten. Ein zerrissenes T-Shirt, einen Slip oder einen BH .»
In die allgemeine Beklommenheit hinein meldete sich Wessel zu Wort. «Ist bekannt, wie diese beiden Psychopathen ansonsten lebten?»
«Ja. Der eine war Automechaniker und seit Jahren bei einer Firma irgendwo in Kalifornien angestellt. Der andere hatte ebenfalls eine feste Stelle und war Familienvater.»
«Die perfekte Tarnung», sagte Rüttger trocken.
«Ja», stimmte Steenhoff zu. «Die perfekte Tarnung.»
Anschließend fasste Block zusammen, wie weit sie mit der Rasterung der Krankenakten gekommen waren. «Wir haben mit CUE -Software gearbeitet, der computergestützten Ermittlung. Dabei sind ein paar Männer hängengeblieben, die wir uns vorknöpfen wollen.»
«Aber», er stockte, «ehrlich gesagt, passt keiner so richtig auf die Beschreibung von ‹Sven›. Dennoch erfüllen sie einige Merkmale und Äußerlichkeiten.»
«Wie viele habt ihr?», erkundigte sich Steenhoff.
«Fünf», antwortete Block.
«So viele wie Tatorte», sagte Wessel lakonisch.
«Gut. Arbeitet sie so schnell wie möglich ab. Dann können wir diesen Ansatz abhaken. Auch wenn ‹Sven› nicht dabei sein sollte, wissen wir dann zumindest, dass er zuvor nicht im Krankenhaus gelegen hat», betonte Steenhoff. «Wir sollten uns auch noch einmal um die Zulieferer des Krankenhauses und des Bestatters kümmern. Vielleicht gibt es da Mitarbeiter, die ihre Ware, von Verbandsmaterial über Medikamente, Wäsche oder Nahrungsmittel, nicht nur an der Anlieferungsrampe abgeben. Und vielleicht gibt es eine Firma, die beide Tatorte beliefert.»
«Du hast recht», sagte Rüttger. «Ich werde das übernehmen.»
In dem Moment steckte die Sekretärin Marianne Schwenning ihren Kopf durch die Tür.
«Frank, eine Frau möchte dich sprechen.»
Steenhoff schaute sie ungeduldig an.
«Schreibe dir bitte ihre Nummer auf. Ich rufe sie anschließend sofort zurück. Wir sind mitten in der Besprechung.»
Doch die Sekretärin ließ sich nicht so einfach davonschicken. «Nein, die Frau besteht darauf, dich sofort zu sprechen. Sie sagt und ich zitiere: ‹Es ist superwichtig. Bewegen Sie gefälligst Ihren Arsch und holen Sie den Kommissar ans Telefon.›»
Sie verzog ihr Gesicht zu einem schiefen Lächeln. «Also, eure Kundschaft lässt im Umgang echt zu wünschen übrig. Die hat Glück, dass ich heute so …»
«Hat sie ihren Namen genannt?», unterbrach Steenhoff die Sekretärin.
«Ja. Mona.»
Mona stand ganz offensichtlich unter Druck.
«Da sind Sie ja endlich», sagte sie erleichtert, als sich Steenhoff am Telefon meldete. Bevor er etwas erwidern konnte, fuhr sie atemlos fort. «Ich kann nicht so lange weg von meinem Platz. Das fällt doch auf.»
Am liebsten hätte Steenhoff die Frau gefragt, wen sie so fürchtete. Doch stattdessen fragte er: «Warum haben Sie mich angerufen, Mona?»
Die Anruferin kam sofort zur Sache: «Irina ist in einen dunklen VW Passat
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