Gedankenmörder (German Edition)
schauten Rüttger und Wessel abwechselnd auf ihre Uhr.
«Wo bleibt der Kerl? Warum fährt der nicht nach Hause?»
Gegen vier Uhr meldeten sich die beiden Beamten bei Tewes, die in der Nähe der Villa ihren Posten bezogen hatten.
«Klar bleibt ihr da. Den dürfen wir jetzt nicht entwischen lassen», hörten die Männer ihren Kommissariatsleiter anordnen. Offenbar sehnten sich auch die Männer vom Mobilen Einsatzkommando nach einem Bett und etwas Schlaf.
«Vielleicht hat er eine Freundin», sagte Wessel schließlich in die Stille hinein.
Niemand entgegnete etwas. Rüttger öffnete das Fenster des kleinen Büros und blieb stumm am Fenster sitzen. Steenhoff betrachtete seine Kollegen. Seit Wochen hatten sie auf diesen Moment hingearbeitet. Alle Arbeit und Müdigkeit wären vergessen, sobald Schneider bei ihnen im Präsidium säße. Selbst wenn er anfangs nicht geständig wäre, hätten sie anhand der DNA eine gute Möglichkeit, ihn zu überführen. Natürlich wusste Steenhoff nur zu gut, dass sie noch weitere Sachbeweise benötigten, damit Schneider schließlich verurteilt werden könnte.
Ihm kamen die Fotos oder Filmaufnahmen in den Sinn, die der Täter von seinem bislang letzten Opfer angefertigt hatte. Sie würden dafür sorgen, dass Schneider vermutlich lebenslang einsitzen würde. Steenhoff spürte in sich eine grimmige Vorfreude, den Ingenieur zu vernehmen. Zugleich bemerkte er auch einen leisen Zweifel in sich.
‹Es ist zu leicht›, schoss es ihm durch den Kopf, als er durch den dunklen Flur des Präsidiums zur Toilette ging. Bislang hatte der Täter, abgesehen von seiner DNA am Tatort, keine Fehler begangen.
Und auch diese Tatsache schien Steenhoff eher ein Akt von Selbstsicherheit zu sein als Leichtsinn oder eine Panne im Ablauf. Auf dem Rückweg in sein Büro schalt sich Steenhoff einen Idioten. Vermutlich lag es an der Uhrzeit und dem Schlafmangel, dass er den Mörder inzwischen für omnipotent hielt. Jeder, auch der genialste Verbrecher, macht irgendwann einen Fehler. Warum also nicht auch der Mann, für den seine Kollegen den Aliasnamen ‹Sven› verwendeten.
Kurz nach fünf Uhr fuhr Steenhoff nach Hause, um sich zumindest noch ein paar Stunden hinzulegen.
Bereits um neun Uhr trafen sie sich alle wieder in Steenhoffs Büro. Block musste ein ständiges Gähnen unterdrücken. Die anderen versuchten, ihre Müdigkeit mit Kaffee hinunterzuspülen. Da Schneider laut den Männern vom Mobilen Einsatzkommando immer noch nicht nach Hause gekommen war, verabredeten sie, dass Rüttger unter einem Vorwand bei Schneiders Firma anrufen und sich nach dessen Aufenthaltsort erkundigen sollte.
Rüttger ließ sich in die Personalabteilung des Unternehmens durchstellen und gab sich mit Erfolg als Schneiders Cousin aus.
«Er hat freigenommen und ist mit seinen beiden Töchtern über ein verlängertes Wochenende nach Mallorca geflogen. Heute Nachmittag kommt er zurück», berichtete Rüttger.
«Aber es sind doch noch gar keine Ferien», warf Steenhoff irritiert ein.
«Nein, aber gegenüber seinen Kollegen soll er angedeutet haben, dass es viel Stress mit seiner Exfrau gebe und er ein paar Tage Abstand mit den Kindern benötige», sagte Rüttger.
Wessel sah Block vielsagend an. «Von wegen Stress mit seiner Frau.»
«Wo landet er?», wollte Steenhoff wissen.
«Seine Kollegen meinten, er komme in Bremen an. Vermutlich gegen Abend.»
«Okay. Michael, finde heraus, wann welche Flüge aus Mallorca ankommen», wandte sich Steenhoff an Wessel. «Der Zugriff erfolgt dann vor seinem Haus in Oberneuland.» Fragend sah ihn Rüttger an.
«Ich will keine spektakuläre Festnahme am Flughafen», sagte Steenhoff. «Sonst haben wir zehn Minuten später wieder die Presse am Hals. Im feinen Oberneuland dagegen übersieht man so etwas Peinliches wie einen Polizeieinsatz vor der eigenen Haustür.»
Während sie darauf warteten, dass Wessel mit den Flugdaten zurückkehrte, erkundigte sich Block, wie Rüttger Schneiders Kollegen dazu gebracht hatte, ihm eine Auskunft zu geben.
«Ich habe gesagt, ich hätte dank guter Beziehungen noch Fußballkarten für das heutige Spiel Werder gegen HSV bekommen und wollte Heiko dazu einladen.»
Rüttger grinste.
«Die Personalabteilung hat mich sofort zu seinem Kollegen durchgestellt, mit dem er in einem Büro sitzt. Der hat behauptet, Heiko Schneider sei erstens kein Fußballfan, zweitens bestimmt zu müde, wenn er heute erst am späten Nachmittag mit seinen Töchtern aus Mallorca
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