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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Mutter?«
    »Nein«, sagte Birdie, »ich muss es wissen.«
    In Kates Vorstellung war die Affäre romantisch gewesen. Mit tragischem, gewaltsamem Ausgang. Für Birdie hingegen bedeutete dies sicherlich Verrat und Untreue. Sie fand solch eine Beziehung abscheulich und würde die Beteiligten verurteilen. Sie würde Lana und Richard und vielleicht sogar Jack dafür ächten.
    Aber Kate hatte keine Wahl mehr. Sie konnte nicht kontrollieren, wie andere die Affäre ihrer Großmutter beurteilten.
    »Sie haben sich geliebt«, sagte sie. Das klang banal und wurde der Beziehung nicht gerecht. »Sie haben sich als Kinder hier auf den Inseln kennengelernt. Und sie haben sich verliebt.«
    Es klang so einfach. In ihren Tagebüchern hatte Lana ein idyllisches Bild entworfen, wie sie und Richard im See schwammen, auf den Felsen herumkletterten. Sie wussten, dass sie füreinander geschaffen waren. Aber Kate fühlte sich nicht in der Lage, ihrer Mutter das zu erklären. Sie hatte die Tagebücher oben im Schlafzimmer deponiert. Sie hatte sich überlegt, ihre Mutter auf die Tagebücher zu verweisen, falls sie es vor der Abreise nicht über sich brachte, mit ihr darüber zu reden. Bei Auseinandersetzungen mit Birdie fühlte Kate sich unweigerlich klein und schwach.
    Kate redete weiter. »Aber am Ende heiratete sie Grandpa. Er stammte aus gutem Hause und war der zuverlässigere Mann. Sie nahm sich vor, Richard Cameron aufzugeben. Aber es funktionierte nicht. Er wartete auf sie, hier, jeden Sommer, bis zum Schluss.«
    Birdie atmete langsam aus. Lange Zeit sagte sie nichts. Es hatte wieder angefangen zu regnen.
    »Wusste Vater davon?«, fragte sie schließlich.
    »Ich bin mir nicht sicher. Er hat es geahnt«, sagte Kate. »Ich weiß nur, was ich in Carolines und Lanas Tagebüchern gelesen habe.«
    »Ich dachte immer, meine Eltern haben sich geliebt«, sagte Birdie bekümmert. »Sie sind immer so liebevoll miteinander umgegangen.«
    »Sie hat Grandpa Jack geliebt«, sagte Kate schnell. Caroline hatte das Gegenteil geglaubt, aber Kate war sich ihrer Sache sicher. »Ganz bestimmt. Sie waren die besten Freunde. Sie hat ihn bewundert und als ihren Lebenspartner betrachtet. Er war der Vater ihrer Kinder. Ich glaube nicht, dass sie das Gleiche wie mit Richard erlebt hat. Die beiden Männer waren sehr unterschiedlich, und sie hat beide auf unterschiedliche Art geliebt.«
    Birdie schwieg und starrte auf die Tischplatte.
    Kate sprach weiter. »Dann wiederum war die Beziehung zu Richard stürmisch und unberechenbar. Zwischen ihnen kam es zu Handgreiflichkeiten. Als es an der Zeit war, sich für einen der beiden zu entscheiden, hat sie Jack geheiratet.«
    Kate dachte an Carolines Aufzeichnungen: Sie entschied sich für Vernunft und Sicherheit, für die zärtliche, vorsichtige Liebe, die mein Vater ihr entgegenbrachte. In vielerlei Hinsicht reichte ihr das. Aber gleichzeitig ließ ihr Verlangen nach Richard bis zu seinem Tod nicht nach. Sie vermisste ihn und war antriebslos und blühte nur im Sommer auf. Sie trafen sich heimlich. Ich frage mich, ob mein Vater von Anfang an davon wusste. Er hatte sich auf einen Handel eingelassen, um sie für den Rest des Jahres für sich zu haben.
    »Das hat Caroline dir alles erzählt?«, fragte Birdie fassungslos.
    »Nein«, sagte Kate, »nicht zu Lebzeiten. Sie hat es aufgeschrieben und mir ihre Tagebücher vermacht.«
    Birdie lehnte sich zurück. Im trüben Licht sah ihr Gesicht wie eine emotionslose Maske aus. Kate kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sich ein Sturm zusammenbraute. Die Wut brach später urplötzlich aus Birdie heraus, um größtmöglichen Schaden anzurichten.
    »Und du konntest dir nicht denken, dass ich gern davon erfahren hätte?«, fragte sie.
    »Ich wollte immer mit dir darüber reden«, verteidigte sich Kate, »aber es hätte dich verletzt. Ich dachte, dass du es nicht verstehen und nicht verzeihen könntest.«
    »Langsam kann ich mir denken, um was es in deinem Buch geht.«
    Kate lächelte wehmütig. Woher wusste Birdie Bescheid? War sie so einfallslos und durchschaubar? So hatte sie sich das Gespräch über ihr Buch nicht vorgestellt. Sie hatte sich gewünscht, dass Birdie aufgeregt und stolz auf sie wäre und sich für sie freute. Wie albern von ihr zu glauben, Birdie könnte ihre Begeisterung für die Geschichte teilen, die sie endlich zum Schreiben animiert hatte. Sie wollte ihrer Mutter von der emotionalen Achterbahnfahrt während der Lektüre von Carolines Tagebüchern erzählen. Wie

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