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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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natürlich längst auf dem Weg zum Ufer. Das Mädchen war eine Kämpfernatur. Die anderen beiden würden eines Tages untergehen bei dem Versuch, Menschen zu retten, die gar nicht gerettet werden wollten.
    »Wir treffen uns am Boot«, sagte Birdie. »Versprochen. Zunächst möchte ich mich aber persönlich davon überzeugen, dass ich nichts mehr tun kann, um das Haus zu retten.«
    Sie bemühte sich zu lächeln. Bestimmt wirkte sie wenig überzeugend. Aber sie hatte ohnehin gelogen. Sie würde nicht zum Anleger gehen. Genauso wenig hatte sie vor, das Feuer zu löschen. Jeder Blinde konnte sehen, dass es dafür zu spät war. Was hatte sie vor? Birdie wusste es selbst nicht. Aber sie konnte die Insel nicht einfach verlassen.
    »Nein, tu es nicht«, sagte Kate. Ein Flehen war in ihrer Stimme, das Birdie noch nie zuvor gehört hatte. Sie wollte ihrer Tochter den Revolver geben, aber Kate lehnte ab. Stattdessen drückte sie Birdie die Taschenlampe in die Hand.
    »Im Wasser geht beides kaputt. Wir müssen es versuchen. Falls wir es nicht bis zum Boot schaffen, können wir immer noch nach Cross Island schwimmen.«
    Das Wasser war eiskalt. Sie mussten sich beeilen. Kate war nie eine gute Schwimmerin gewesen, und nun war sie auch noch verletzt.
    »Der Zündschlüssel steckt«, sagte Birdie. »Beeilt euch!«
    Wieder warf Kate ihr diesen Blick zu, der anscheinend nur ihrer Mutter vorbehalten war. Er drückte Ärger, Traurigkeit und Verwunderung aus, so als wäre Birdie für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Aber sie schwieg. Sie brachte keine weiteren Argumente mehr vor. Sie hatte vor langer Zeit lernen müssen, dass es keinen Sinn machte, mit Birdie zu diskutieren. Kate zog Chelsea in Richtung Ufer.
    »Grandma!«
    »Chelsea, komm jetzt.«
    »Wir dürfen sie nicht allein lassen«, schrie Chelsea, und es brach Birdie das Herz.
    Sie hörte Kates beschwichtigende Stimme, aber die Worte konnte sie nicht mehr verstehen, denn sie hatte sich schon auf den Weg zum Haupthaus gemacht. Sie hatte keinen Plan, aber sie durfte nicht einfach weglaufen. Der Kapitän bleibt auf dem sinkenden Schiff. Falls Birdie Heart Island verlassen würde, dann freiwillig, nicht wegen eines Brandes oder irgendwelcher Eindringlinge.

VIERUNDDREISSIG
    M om«, bettelte Chelsea, »bitte, geh ihr nach!«
    Kate schlüpfte aus der Jacke und den Schuhen und half danach Chelsea beim Ausziehen. Sie mussten alle schweren Kleidungsstücke ablegen, die sie im Wasser nur nach unten ziehen würden. Chelseas Schluchzen bereitete Kate körperliche Schmerzen.
    »Das geht nicht, Chelsea.« Sie legte ihrer Tochter die Hände auf die Schultern. »Nicht jetzt. Wenn du und Lulu in Sicherheit seid, werde ich sie suchen. Versprochen.«
    Wie sollte sie ihrer Tochter erklären, dass das Leben der Kinder am wichtigsten war, wichtiger noch als das von Sean und ihr eigenes? So etwas verstanden nur Mütter. Kate setzte ihr Leben nicht für Birdie aufs Spiel, solange Chelsea nicht in Sicherheit war. Ihre Kinder brauchten sie. Ihre Mutter hingegen brauchte niemanden. Das war offensichtlich.
    »Sie wird sterben!«
    Chelsea klang wie als kleines Mädchen. Ihre Verzweiflung und Trauer, ihre Unschuld waren absolut. Kate erinnerte sich, wie Chelsea als Kind einen toten Fisch vom Strand aufgelesen und ins Wasser zurückgeworfen hatte.
    »Er kehrt in den Kreislauf des Lebens zurück«, hatte sie gesagt und damit eine von Kates Weisheiten zitiert. Sie bäumte sich auf. »Ich mag es nicht, wenn etwas stirbt.«
    »Nein«, sagte Kate jetzt. Sie klang so streng und stur wie Birdie. Das kalte Wasser schlug gegen ihre Beine, als sie sich Schritt für Schritt in den See schob, Chelsea hinter sich herziehend. »Sie wird nicht sterben. Nichts und niemand ist stärker als Birdie.«
    »Chelsea, nun komm endlich!«, rief Lulu. Sie zitterte vor Kälte. Sie umarmte Chelsea und half Kate, sie ins Wasser zu ziehen. Immer wieder drehte Chelsea sich nach Birdie um. »Sie will auf der Insel bleiben«, sagte Lulu, »lass sie.«
    Irgendwann gab Chelsea entkräftet nach. Mit einem spitzen Schrei warf Lulu sich in die Wellen. Auch Kate spürte die Kälte wie ein Brennen auf der Haut, und sie versuchte zu ignorieren, dass der schwarze See sich bis an den Horizont zu erstrecken schien. Er konnte sie verschlucken, das Wasser war schwer und stark, die Finsternis unergründlich. Kate zwang sich, an etwas anderes zu denken.
    »Schwimmt, so schnell ihr könnt«, sagte sie. »Dreht euch nicht um. Ich bin immer hinter euch. Falls

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