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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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und betrat das Haus. Die Flammen krochen an den Vorhängen hoch, hatten fast den ersten Stock erreicht. Das ganze Haus stöhnte, Holzrahmen knackten und platzten in der Hitze. Birdie entdeckte das Album auf dem Tisch, und dann sah sie das bewusstlose Mädchen.
    Sie packte das Album und presste es an die Brust. Ihre Augen tränten, sie musste husten. Sie hatte nicht viel Zeit, bald würde sie ohnmächtig werden. Das Bild über dem Kamin, Joe und Birdie in jungen Jahren, nebeneinander auf dem Anleger, ging in Flammen auf.
    »Ich liebe die beiden«, hatte er gejammert, »Martha ist eine Frau, eine richtige Frau. Durch ihre Adern fließt warmes Blut. Sie lacht, sie weint und zuckt nicht bei jeder Berührung zusammen. Verdammt, Birdie, genau so wollte ich dich lieben!«
    Damals hatte sie ihn aufrichtig gehasst. Die Leidenschaft – und anfangs hatte es so etwas wie Leidenschaft gegeben, oder? – war eine blasse Erinnerung. Sie wusste nicht mehr, wie es war, ihn zu begehren. Wie sie sich gewünscht hatte, dass er sie in Ruhe ließ und auf Nimmerwiedersehen verschwand. Aber nein, das hatte sie verhindert. Die öffentliche Demütigung, die Schande. Der Gedanke, für eine kleine Verkäuferin verlassen zu werden, war ihr unerträglich gewesen.
    »Und was bist du, verdammt?«, hatte er gefragt, »eine Aristokratin? Was bildest du dir auf deine Herkunft ein?«
    Ihre Familie war reicher und angesehener gewesen als seine. Alles gehörte Birdie, auch das Geld, das sie von ihrem Vater, einem Immobilieninvestor, geerbt hatte. Obwohl das Erbe zwischen den Geschwistern geteilt wurde, waren für jeden mehrere Millionen übrig geblieben. Als Kinder hatten sie nichts davon geahnt.
    Ihr Vater, ein weiser Mann, hatte Joe Burke nie leiden können. Er hatte auf einem Ehevertrag zum Schutze des Vermögens bestanden, was zur damaligen Zeit höchst ungewöhnlich war. Sie machte sich keine Gedanken darüber; sie tat immer, was der Vater verlangte. Falls Joe sie verließ, würde er mittellos dastehen und keinen Penny von ihr bekommen. Ja, er verdiente gut, aber nicht genug, um sich ein Penthouse in Manhattan, ein Segelboot auf Long Island oder Skireisen in die Schweizer Alpen leisten zu können. Und auch keine Insel, die er zwar nicht mochte, im Gespräch mit neuen Bekannten aber gern erwähnte. »Oh, wir besitzen eine eigene Insel.« Das alles gab er nicht so einfach auf. Nicht einmal für die wahre Liebe.
    Birdies Husten wurde stärker, der Qualm immer dichter. Die Luft kochte, und Birdie war schweißgebadet. Das ganze Haus war ein Backofen. Ein pochender Kopfschmerz kroch ihr bis unter die Schädeldecke. Wie lange dauerte es, bis sie das Bewusstsein verlor? Hoffentlich ging es schnell. Und war schmerzlos. Dann wiederum konnte sie Joe nicht so einfach vom Haken lassen. Sie hatte sich fest vorgenommen, ihn zu überleben. Sie lief hinaus und warf das Fotoalbum von der Veranda. Es landete mit einem dumpfen Schlag auf der Erde. Dann lief Birdie zurück ins Haus.
    Sie packte die Hände des Mädchens. Dafür, dass es so klein war, schien es tonnenschwer zu sein. Mit letzter Kraft zerrte Birdie es aus dem Zimmer. Sie drehte sich nicht noch einmal zum brennenden Haus um. Die Kleider, die Möbel, der Schmuck im Nachtschränkchen waren ihr gleichgültig. Sie schleppte die junge Frau über die Verandatreppe und über die Felsen. Sie würde sich einen Haufen blauer Flecken zuziehen. Doch Birdie bemühte sich nach Kräften und zog sie immer weiter vom Haus weg, bis sie die großen, glatten Felsen am Ufer erreicht hatte. Das Mädchen stöhnte. Nein, das Leben war nicht kostbar. Manchmal war es nur die Strafe, die man verdient hatte.

FÜNFUNDDREISSIG
    J ohn Cross wusste nicht genau, was ihn geweckt hatte. Eine Art Ploppen. Er hatte für eine Weile wachgelegen und erfolglos gelauscht. Als er wieder eindösen wollte, bemerkte er das hellorange Licht draußen vor dem Fenster. Er stolperte die Treppe hinunter und lief zum Panoramafenster. Das Haus auf Heart Island brannte lichterloh. John traute seinen Augen nicht. Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, rannte er aus dem Haus und hinunter zum Anleger.
    In der Ferne sah er die herankommenden Rettungsboote. Ihre Warnleuchten zuckten über dem aufgepeitschten Wasser. Die Flammen auf Heart Island schienen zu tanzen, groß und schlank reckten sie sich gen Himmel. Mit klopfendem Herzen und gelähmt vor Panik stand er auf dem Anleger. Was sollte er tun?
    Er hörte Geschrei. Rief da jemand um Hilfe? Ohne

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