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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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in Bangen sehen nach Süden zu,
    Sehen und warten, ob nicht ein Licht
    Übers Wasser hin »Ich komme« spricht,
    »Ich komme, trotz Nacht und Sturmesflug,
    Ich
, der Edinburger Zug.«
     
    Und der Brückner jetzt: »Ich seh' einen Schein
    Am anderen Ufer. Das muß er sein.
    Nun, Mutter, weg mit dem bangen Traum,
    Unser Johnie kommt und will seinen Baum,
    Und was noch am Baume von Lichtern ist,
    Zünd' alles an wie zum heiligen Christ,
    Der will heuer
zweimal
mit uns sein, –
    Und in elf Minuten ist er herein.«
     
    Und es war der Zug. Am
Süder
turm
    Keucht er vorbei jetzt gegen den Sturm,
    Und Johnie spricht: »Die Brücke noch!
    Aber was tut es, wir zwingen es doch.
    Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,
    Die bleiben Sieger in solchem Kampf.
    Und wie's auch rast und ringt und rennt,
    Wir kriegen es unter, das Element.
     
    Und unser Stolz ist unsre Brück';
    Ich lache, denk' ich an früher zurück,
    An all den Jammer und all die Not
    Mit dem elend alten Schifferboot;
    Wie manche liebe Christfestnacht
    Hab' ich im Fährhaus zugebracht
    Und sah unsrer Fenster lichten Schein
    Und zählte und konnte nicht drüben sein.«
     
    Auf der Norderseite, das Brückenhaus –
    Alle Fenster sehen nach Süden aus,
    Und die Brücknersleut' ohne Rast und Ruh
    Und in Bangen sehen nach Süden zu;
    Denn wütender wurde der Winde Spiel,
    Und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel',
    Erglüht es in niederschießender Pracht
    Überm Wasser unten ... Und wieder ist Nacht.
     
    »Wann treffen wir drei wieder zusamm?«
    »Um Mitternacht, am Bergeskamm.«
    »Auf dem hohen Moor, am Erlenstamm.«
     
    »Ich komme.«
    » Ich mit.«
    »Ich nenn' euch die Zahl.«
    »Und ich die Namen.«
    »Und ich die Qual.«
    »Hei!
    Wie Splitter brach das Gebälk entzwei.«
     
    »Tand, Tand
    Ist das Gebilde von Menschenhand.«
     
     

John Maynard
     
    John Maynard!
     
    »Wer ist John Maynard?«
     
    »John Maynard war unser Steuermann,
    Aus hielt er, bis er das Ufer gewann,
    Er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
    Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
    John Maynard.«
     
    Die »Schwalbe« fliegt über den Eriesee,
    Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
    Von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
    Die Herzen aber sind frei und froh,
    Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
    Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
    Und plaudernd an John Maynard heran
    Tritt alles: »Wie weit noch, Steuermann?«
    Der schaut nach vorn und schaut in die Rund':
    »Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund«.
     
    Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –
    Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
    »Feuer!« war es, was da klang,
    Ein Qualm aus Kajüt' und Luke drang,
    Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
    Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.
     
    Und die Passagiere, buntgemengt,
    Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
    Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
    Am Steuer aber lagert sich's dicht,
    Und ein Jammern wird laut: »Wo sind wir? wo?«
    Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo.
     
    Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
    Der Kapitän nach dem Steuer späht,
    Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
    Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
    »Noch da, John Maynard?«
    »Ja, Herr. Ich bin.«
    »Auf den Strand! In die Brandung!«
    »Ich halte drauf hin.«
    Und das Schiffsvolk jubelt: »Halt aus! Hallo!«
    Und noch zehn Minuten bis Buffalo.
     
    »Noch da, John Maynard?« Und Antwort schallt's
    Mit ersterbender Stimme: »Ja, Herr, ich halt's!«
    Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
    Jagt er die »Schwalbe« mitten hinein.
    Soll Rettung kommen, so kommt sie nur
so
.
    Rettung: der Strand von Buffalo.
     
    Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
    Gerettet alle. Nur
einer
fehlt!
     
    Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
    Himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
    Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
    Ein
Dienst nur, den sie heute hat:
    Zehntausend folgen oder mehr,
    Und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.
     
    Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
    Mit Blumen schließen sie das Grab,
    Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
    Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
    »Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
    Hielt er das Steuer fest in der Hand,
    Er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
    Er starb für
uns
, unsre Liebe sein Lohn.
    John Maynard.«
     
     

Goodwin-Sand
     
    Das sind die Bänke von Goodwin-Sand,
    Sie sind nicht Meer, sie sind nicht Land,
    Sie schieben sich, langsam, satt und schwer,
    Wie eine Schlange

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