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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Flammenmeer,
    Und den Segen drüber sprechend, wogt auf ihm das Geisterheer.
     
    Doch, als ob das Salz der Tränen feuerfest die Wände macht,
    Wie wenn Blut der beste Mörtel, den ein Meister je erdacht –
    Seht, wie durstig auch die Flamme sich von Turm zu Turme wirft,
    Hat sie doch, als wären's Becher, nur den Inhalt ausgeschlürft.
     
    Wieder, wenn es Nacht geworden, wenn's im Tower leer und stumm,
    Gehn die Geister der Erschlagnen in den Korridoren um,
    Durch die Lüfte weht Geflüster, klagend dann wie Herbsteswehn,
    Mancher wird im Mondenschimmer noch die Schatten schreiten sehn.
     
     

Balaklawa
     
    Der Angriff der Leichten Brigade,
     
    25. Oktober 1854
     
    (Frei nach Alfred Tennyson)
     
    »Eine halbe Meil', eine halbe Meil',
    Auf Sattel und Schabracke,
    Vor, in Sturmeseil',
    Vor, zur Attacke.
    Zählt nicht der Kanonen Zahl,
    Hinein, hinein ins Todestal ...«
    (Alle hören's verwundert)
    »Vorwärts, Leichte Brigade, vor« –
    Und hinein ins Feuer- und Höllentor
    Reiten die Sechshundert.
     
    Leichte Brigade, der Siegespreis
    Ist heute hoch, ist heute heiß,
    Aber kein Murren, nicht laut, nicht leis,
    Keines, obwohlen ein jeder weiß,
    's ward irgendwo geblundert –
    Vorwärts; sie fragen und zagen nicht,
    Vorwärts; sie wanken und schwanken nicht,
    Vorwärts, gehorchen ist einzige Pflicht,
    Ins Todestal,
    In voller Zahl,
    Reiten die Sechshundert.
     
    Vorwärts! Kanonen rechts und links,
    Kanonen in
Front
, gewärtig des Winks,
    Selbst die Feinde sehen's verwundert.
    Schrapnell und Kartätschenschuß,
    Todesgruß und Todeskuß,
    Falle, was da fallen muß,
    In den Höllenrachen, ins Todestal,
    Noch
voll in Zahl,
    Reiten die Sechshundert.
     
    Säbel heraus! Die Klingen fein
    Blinken und blitzen im Sonnenschein,
    Und die Leichte Brigade, nun ist sie hinein,
    Fast über sich selber verwundert;
    Ihre Säbel, in Rauch und Pulverqualm,
    Singen manch einem den letzten Psalm,
    Aber endlich, aus Qualm und Rauch
    Und ermattet bis auf den letzten Hauch,
    Abgejagt und abgehetzt,
    Müssen sie rückwärts, rückwärts jetzt –
    Nicht
mehr Sechshundert.
     
    Kanonen rechts, Kanonen links,
    Kanonen im Rücken, gewärtig des Winks;
    Verdoppelt jetzt Salv' um Salve kracht,
    Rückwärts, rückwärts wogt die Schlacht,
    Und wen es aus dem Sattel schoß,
    Den Reiter zertritt sein eigen Roß,
    Das Fahnentuch mit flatterndem Band
    Geht schon in dritt' und vierte Hand,
    Ist zerschossen und zerzundert,
    Der Tod mäht rascher von Schritt zu Schritt,
    Leichte Brigade, was bringst du noch mit?
    Dein Siegesritt war ein Todesritt,
    Ein Todesritt der Sechshundert.
     
    Wird je verblassen euer Ruhm?
    Nimmer. Ihr strahlt in Heldentum,
    Und die Welt, sie staunt und wundert.
    Hoch unsre Balaklawa-Schlacht,
    Und die Leichte Brigade, die's gemacht,
    Hoch die Sechshundert!
     
     

Volkslied
     
    (In den Londoner Straßen gesungen im Winter 1855)
     
    All, die ihr schlaft auf Dunen, behaglich, wohlgemut,
    Denkt unsrer armen Brüder, die kalt sind bis aufs Blut,
    Die in den Gräbern liegen, krank, hungrig, starr und stumm,
    Die Blüte unsres Landes, im Schlammbett kommt sie um.
     
    Vom Balaklawa-Hafen bis an die Stadt heran,
    Vor Karren und Geschützen sie selber als Gespann,
    So haben sie's gehalten, dann kam die stille Nacht,
    So viele gingen schlafen, so wenig sind erwacht.
     
    Ich hört' ein Mädchen klagen, sie rief: »Was fang' ich an?
    Mein Vater liegt und schlummert im Tal von Inkerman,
    Mein Bruder liegt verwundet, genesen wird er nie,
    Es kann kein Christ genesen in jenem Skutari.«
     
    Gott, schütze unsre Brüder mit deiner mächt'gen Hand,
    Leih ihnen Sieg und führe sie heim ins Vaterland,
    Beschütz' auch, was sie lieben, Weib, Vater, Mutter, Kind,
    Und sei ein Tröster aller, die schweren Herzens sind.
     
     

Die Brück' am Tay
     
    (28. Dezember 1879)
     
    When shall we three meet again?
    Macbeth
     
    »Wann treffen wir drei wieder zusamm?«
    »Um die siebente Stund', am Brückendamm.«
    »Am Mittelpfeiler.«
     
    »Ich lösche die Flamm.«
    »Ich mit.«
     
    »Ich komme vom Norden her.«
    »Und ich vom Süden.«
    »Und ich vom Meer.«
     
    »Hei, das gibt einen Ringelreihn,
    Und die Brücke muß in den Grund hinein.«
     
    »Und der Zug, der in die Brücke tritt
    Um die siebente Stund'?«
    »Ei, der muß mit.«
    »Muß mit.«
     
    »Tand, Tand
    Ist das Gebilde von Menschenhand!«
     
    Auf der
Norderseite
, das Brückenhaus –
    Alle Fenster sehen nach Süden aus,
    Und die Brücknersleut' ohne Rast und Ruh
    Und

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