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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hin und her.
     
    Und die Schiffe, die mit dem Sturm gerungen
    Und die schäumende Wut der Wellen bezwungen,
    Und die gefahren über die Welt,
    Unzertrümmert, unzerschellt,
    Sie sehen die Heimat, sie sehen das Ziel,
    Da schiebt sich die Schlange unter den Kiel
    Und ringelt Schiff und Mannschaft hinab,
    Zugleich ihr Tod, zugleich ihr Grab.
     
    Die See ist still, die Ebb' ist nah,
    Mastspitzen ragen hier und da,
    Und wo sie ragen in die Luft,
    Da sind es Kreuze über der Gruft;
    Ein Kirchhof ist's, halb Meer, halb Land –
    Das sind die Bänke von Goodwin-Sand.
     
     

3. Deutsches. Märkisch-Preußisches
     
Treu-Lischen
    »Mein Lischen, stell das Weinen ein,
    Auf Regen folgt ja Sonnenschein,
    Ich kehr' mit Schwalb' und Flieder
    Und wohl noch früher wieder.«
     
    Der Bursche sprach's. Vom Giebeldach
    Sah ihm Treu-Lischen lange nach,
    Bis Hoffnung wiederkehrte
    Und ihren Tränen wehrte.
     
    Die Äuglein wurden wieder klar,
    Das Herze jeden Kummers bar,
    Sie wußte: mit dem Flieder
    Kam ihr der Liebste wieder.
     
    Der Frühling kam mit Duft und Klang,
    Treu-Lischen harrte mondenlang,
    Herbstwind durchfuhr den Garten –
    Vergeblich war ihr Warten.
     
    Wohl kam der Frühling viele Mal,
    Ihr Liebster nimmermehr ins Tal,
    Doch Lenz um Lenz aufs neue
    Rief sie: »Nun kommt der Treue!«
     
    Es konnt' ihr Herz, das Jahr um Jahr
    Dem Liebsten treu geblieben war,
    Es konnt's ihr Herz nicht fassen,
    Er habe sie verlassen.
     
    Grau ward ihr Haar, welk ihr Gesicht,
    Das Alter kam, sie wußt' es nicht,
    Ihr Hoffen und ihr Lieben,
    Ihr Herz war jung geblieben.
     
    Und als der Tod sie heimgeführt,
    Hat ihn das treue Herz gerührt,
    Und mit des Liebsten Mienen
    Ist er vor ihr erschienen.
     
     

Silvesternacht
     
    Das Dorf ist still, still ist die Nacht,
    Die Mutter schläft, die Tochter wacht,
    Sie deckt den Tisch, sie deckt für zwei,
    Und sehnt die Mitternacht herbei.
     
    Wem gilt die Unruh? wem die Hast?
    Wer ist der mitternächt'ge Gast?
    Ob ihr sie fragt, sie kennt ihn nicht,
    Sie weiß nur, was die Sage spricht.
     
    Die spricht: Wenn wo ein Mädchen wacht
    Um zwölf in der Silvesternacht,
    Und wenn sie deckt den Tisch für
zwei
,
    Gewahrt sie, wer ihr Künft'ger sei.
     
    Und hätt' ihn nie gesehn die Maid,
    Und wär' er hundert Meilen weit,
    Er tritt herein und schickt sich an,
    Und ißt und trinkt, und scheidet dann. –
     
    Zwölf schlägt die Uhr, sie horcht erschreckt,
    Sie wollt', ihr Tisch wär' ungedeckt,
    Es überfällt sie Angst und Graun,
    Sie will den Bräutigam nicht schaun.
     
    Fort setzt der Zeiger seinen Lauf,
    Niemand tritt ein, sie atmet auf,
    Sie starrt nicht länger auf die Tür –
    Herr Gott, da sitzt er neben ihr.
     
    Sein Aug' ist glüh, blaß sein Gesicht,
    Sie sah ihn all' ihr Lebtag nicht,
    Er blitzt sie an und schenket ein
    Und spricht: »Heut Nacht noch bist du mein.
     
    Ich bin ein stürmischer Gesell',
    Ich wähle rasch und freie schnell,
    Ich bin der Bräut'gam, du die Braut,
    Und bin der Priester, der uns traut.«
     
    Er faßt sie um – ein einz'ger Schrei,
    Die Mutter hört's und kommt herbei;
    Zu spät, verschüttet liegt der Wein,
    Tot ist die Tochter und – allein.
     
     

»Und alles ohne Liebe«
     
    Die Mutter spricht: »Lieb Else mein,
    Wozu dies Grämen und Härmen?
    Man lebt sich ineinander ein,
    Auch ohne viel zu schwärmen;
    Wie manche nahm schon ihren Mann,
    Daß sie nicht sitzen bliebe,
    Und dünkte sich im Himmel dann
    Und – alles ohne Liebe.«
     
    Jung-Else hört's. Sie schloß das Band,
    Das ew'ge, am Altare,
    Und lächelnd nahm des Gatten Hand
    Den Kranz aus ihrem Haare;
    Ihr war's, als ob ein glühend Rot
    Sich auf die Stirn ihr schriebe,
    Sie gab ihr Alles, nach Gebot,
    Und – alles ohne Liebe.
     
    Der Mann ist schlecht; er liebt das Spiel
    Und guten Trunk nicht minder,
    Sein Weib zu Hause weint zu viel,
    Und ewig schrei'n die Kinder;
    Spät kommt er heim, er kost, er schlägt,
    Nachgiebig jedem Triebe,
    Sie trägt's, wie nur die Liebe trägt,
    Und – alles ohne Liebe.
     
    Sie wünscht sich oft, es wär' vorbei,
    Wenn nicht die Kinder wären,
    So aber sucht sie stets aufs neu
    Zum Guten es zu kehren,
    Sie schmeichelt ihm, und ob er dann
    Auch kalt beiseit' sie schiebe,
    Sie nennt ihn »ihren liebsten Mann«
    Und – alles ohne Liebe.
     
     

»Denkst du verschwundener Tage, Marie?«
     
    (Nach dem Englischen)
     
    »Denkst du verschwundener Tage, Marie,
    Wenn du starrst ins Feuer bei Nacht?
    Wünschst du die hellen Tage zurück,
    Wo du selbst

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