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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ziehn. –
    Das war der Einzug in Berlin.
     
     

Einzug
     
    (16. Juni 1871)
     
    Und siehe da, zum dritten Mal
    Ziehen sie ein durch das große Portal;
    Der Kaiser vorauf, die Sonne scheint,
    Alles lacht und alles weint,
     
    Erst die Garde. Brigaden vier,
    Garde und Garde-Grenadier':
    Elisabether, Alexandriner,
    Franziskaner, Augustiner,
    Sie nahmen, noch nicht zufrieden mit Chlum,
    Bei Privat ein Privatissimum. –
    Mit ihnen kommen, geschlossen, gekoppelt,
    Die Säbel in Händen, den
Ruhm
gedoppelt,
    Die hellblauen Reiter von Mars la Tour,
    Aber an Zahl die Hälfte nur.
     
    Garde vorüber. – Garde tritt an:
    Regiment des Kaisers, Mann an Mann,
    »Kein Schuß; Gewehr zur Attacke rechts.«
    Die
Siebner
, die Phalanx jedes Gefechts,
    Die
Sieben
ist eine besondere Zahl,
    Dem einen zur Lust, dem andern zur Qual;
    Was von den Turkos noch übrig geblieben,
    Spricht wohl von einer bösen Sieben.
     
    Blumen fliegen aus jedem Haus,
    Der Himmel strömt lachende Lichter aus,
    Und der Lichtball selber lächelt in Wonne:
    »Es gibt doch noch Neues unter der Sonne.«
     
    Gewiß. Eben jetzt einschwenkt in das Tor,
    Keine Linie zurück, keine Linie vor,
    En bataillon, frisch wie der Lenz,
    Die ganze Armee in Double-Essenz.
    Ein Korps bedeutet jeder Zug,
    Das ist kein Schreiten, das ist wie Flug,
    Das macht, weil ihnen ungesehn
    Dreihundert Fahnen zu Häupten wehn.
     
    Bunt gewürfelt Preußen, Hessen,
    Bayern und Baden nicht zu vergessen,
    Sachsen, Schwaben, Jäger, Schützen,
    Pickelhauben und Helme und Mützen,
    Das Eiserne Kreuz ihre einzige Zier;
    Alles zerschossen; ihr ganzes Prahlen
    Nur ein Wettstreit in den Zahlen,
    In den Zahlen derer, die
nicht
hier.
     
    Zum dritten Mal
    Ziehen sie ein durch das große Portal;
    Die Linden hinauf erdröhnt ihr Schritt,
    Preußen-Deutschland fühlt ihn mit.
     
    Hunderttausende auf den Zehenspitzen!
    Vorüber, wo Einarm und Stelzfuß sitzen,
    Jedem Stelzfuß bis in sein Bein von Holz
    Fährt der alte Schlachtenstolz.
    Halt,
    Vor des Großen Königs ernster Gestalt.
     
    Bei dem Fritzen-Denkmal stehen sie wieder,
    Sie blicken hinauf, der Alte blickt nieder;
    Er neigt sich leise über den Bug:
    »Bon soir, Messieurs,
nun ist es genug.
«
     
     

Kaiser Blanchebart
     
    (Am 16. Juni 1871)
     
    Vor seinem Heergefolge ritt,
    Von seinem Volk umschart,
    Inmitten von Helden und Prinzen,
    An der Spitze seiner Provinzen,
    Der Kaiser Blanchebart.
     
    Er grüßt und sitzt auf hohem Roß
    Und sinnet das und dies:
    Er hält am Sadowa-Walde,
    Auf der Gravelotter Halde
    Und vor Sedan und Paris.
     
    Er lächelt still; ihm ward zu Traum
    Die lange Kriegesfahrt,
    Es schaukeln und schwanken die Reiser,
    Und rings jubelt's: Es lebe der Kaiser,
    Der Kaiser Blanchebart!
     
    Und an der Straß' und an dem Tor,
    Da halten Frau und Mann,
    Und sie heben empor ihren Knaben,
    Den einzigen, den sie haben,
    Und sprechen: »Sieh ihn dir an!
     
    Sieh ihn dir an und vergiß ihn nicht.
    Der ist von sondrer Art,
    Im Dienst allzeit das Schwerste,
    Und in Feld und Pflicht der Erste,
    Das ist Kaiser Blanchebart.«
     
    Der Kaiser sah den Knaben an,
    Den überlief es heiß,
    Alle Herzen sprachen Segen,
    Und hernieder fiel ein Regen
    Von Blüten rot und weiß.
     
    Gott mit dir, Herr, und kommt der Tag,
    Der noch keinem wurde gespart,
    Dann wie aus
Märchen
tagen
    Werden wir singen und sagen
    Vom Kaiser Blanchebart.
     
     

Havelland
     
    (Statt eines Vorwortes
    zu dem 3. Band »Wanderungen« 1873)
     
    Grüß Gott dich, Heimat! ... Nach langem Säumen
    In deinem Schatten wieder zu träumen,
    Erfüllt in dieser Maienlust
    Eine tiefe Sehnsucht mir die Brust.
    Ade nun, Bilder der letzten Jahre,
    Ihr Ufer der Somme, der Seine, Loire,
    Nach Krieges- und fremder Wässer Lauf,
    Nimm, heimische Havel, mich wieder auf.
     
    Es spiegeln sich in deinem Strome
    Wahrzeichen, Burgen, Schlösser, Dome:
    Der
Julius-Turm
, den Märchen und Sagen
    Bis Römerzeiten rückwärts tragen,
    Das
Schildhorn
, wo, bezwungen im Streite,
    Fürst Jazko dem Christengott sich weihte,
    Der
Harlunger-Berg
, des oberste Stelle
    Weitschauend trug unsre erste Kapelle,
    Das
Plauer Schloß
, wo fröstelnd am Morgen
    Hans Quitzow steckte im Röhricht verborgen,
    Die
Pfaueninsel
, in deren Dunkel
    Rubinglas glühte Johannes Kunkel,
    Schloß
Babelsberg
und »
Schlößchen Tegel
«,
    Nymphäen, Schwäne, blinkende Segel –
    Ob rote Ziegel, ob steinernes Grau,
    Du verklärst es, Havel, in deinem Blau.
     
    Und schönest du alles, was alte Zeiten
    Und neue

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