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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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»Nimm Chorrock und Stab,
    Nimm Diener und Läufer, so viel ich hab',
    Nimm Mitra, Kapuze, nimm was dir gefällt,
    Nur löse die Fragen, die er gestellt.«
     
    »Willkommen, Freund Bischof«, rief König Johann,
    »Du hältst deine Zeit, das ist wohlgetan,
    Und hält nur dein Witz auch so pünktlich Stand,
    Belehn' ich aufs neu dich mit Leuten und Land.
     
    Zum ersten: Wenn ich auf Englands Thron,
    Das Zepter in Händen, zu Häupten die Kron',
    Rat halte mit meinen Grafen und Herrn,
    Wie viel ich dann wert bin, wüßt' ich gern.«
     
    »Unser Heiland wurde, so wahr ich getauft,
    Um dreißig Silberlinge verkauft,
    Drum neunundzwanzig schätz' ich Euch ein,
    Um
einen
müßt Ihr doch billiger sein.«
     
    Da lachte der König und schwur bei Sankt Velt:
    »Ich hab' nicht gedacht, daß so wenig ich gelt'!
    Nun aber zum zweiten sage mir an,
    Wie rasch wohl die Welt ich umreiten kann?«
     
    »Reit' aus mit der Sonn', immer neben ihr fort,
    Bis du andren Tages am alten Ort,
    So hast du die Reise in Tag und Nacht
    Oder vierundzwanzig Stunden gemacht.«
     
    Da lachte der König und schwur bei Sankt Veit:
    »Ich hab' nicht gedacht, daß so rasch ich reit'!
    Nun aber sollst du mir sagen geschwind,
    Was zur Stelle meine Gedanken sind.«
     
    Da beugte der Schäfer schnell sein Knie:
    »Ihr denkt, ich sei Bischof von Canterbury,
    Der
sitzet daheim; nur sein Schäfer bin ich
    Und bitt' um Gnade für ihn und für mich.«
     
    Da schwur der König und lachte hell:
    »Du sollst Bischof sein an seiner Stell'.«
    Der Schäfer seufzte: »'s geht halt nit mehr,
    Wo nähm' ich das Lesen und Schreiben her?«
     
    »Wohlan denn, so nimm zu Dank und Lohn
    Vier Nobel die Woche von mir, mein Sohn,
    Und reitst du bei deinem Bischof heran,
    So bring ihm Verzeihung vom König Johann.«
     
     

John Gilpin
     
    (Nach William Cowper)
     
    John Gilpin hat ein Tuchgeschäft
    Nicht weit von Leicester-Square,
    Auch war er Hauptmann der Miliz
    In Londons Bürgerwehr.
     
    Und Gilpin hat ein edles Weib;
    Sie sprach: »Mein teurer John,
    Wir sahen keinen Feiertag
    Die zwanzig Jahre schon.
     
    Drum, heut' an unsrem Hochzeitstag,
    Dächt' ich, Mann meiner Wahl,
    Kutschierten wir nach Islington,
    Ins frische Grün einmal.
     
    Fünf unsrer Kleinen nehm' ich mit,
    Sie wiegen ja nicht schwer
    Und haben Platz – du steigst zu Roß
    Und reitest hinterher.«
     
    John Gilpin sprach: »Ich ehrte stets
    Das weibliche Geschlecht,
    Doch dreimal ehr' ich dich, o Weib,
    Drum ist mir alles recht.
     
    Auch schafft mein blühend Tuchgeschäft
    Leicht meinem Wunsch Gehör,
    Und seinen Braunen leiht mir gern
    Mein Freund, der Appreteur.«
     
    Sprach Mistreß Gilpin: »John, noch eins,
    Wie ist es mit dem Wein?
    Ich denk', wir nehmen welchen mit,
    Es dürfte bill'ger sein.«
     
    John Gilpin küßt' sein treues Weib,
    Er weinte auf ein Haar,
    Daß Mistreß, trotz Vergnügungssucht,
    Doch noch so sparsam war.
     
    Der Wagen kam, doch hielt er nicht
    Vor Gilpins eignem Haus,
    Sie war all in Sorg' und Furcht:
    Hochmütig säh' das aus.
     
    Drei Häuser abwärts stieg man ein,
    Die Küchlein und das Huhn,
    Und durch die City-Straßen hin
    Ging es im Trabe nun.
     
    Die Peitsche pfiff, auf schlug der Huf,
    Daß alles klang und scholl,
    Und Rad und Steine lärmten schier,
    Als wären beide toll.
     
    John Gilpin hatte sich indes
    Als Reiter schon gezeigt
    Und lang geschwankt, ob rechts, ob links
    Man in den Bügel steigt.
     
    Jetzt aber sitzt er sattelfest-
    Er will davon im Nu,
    Da steuern seiner Kunden drei
    Grad auf den Laden zu.
     
    John Gilpin denkt: ›Verlust an Zeit,
    Ich schätz' ihn nicht gering,
    Doch traun, Verlust an Gut und Geld
    Ist noch ein übler Ding.‹
     
    Schnell springt er ab. – Noch steht und schwankt
    Der Handel mit den Drei'n,
    Da stürzt ihm Betty in den Weg:
    »Hier, Herr, ist noch der Wein!«
     
    »Gut« spricht er, »doch nun bring' mir auch
    Das Lederfutteral,
    Darinnen bei Paraden steckt
    Mein fleckenloser Stahl.«
     
    John Gilpin nahm die Flaschen beid',
    Sie waren voll Likör,
    Und hatten oben an dem Hals
    Ein weites Henkelöhr.
     
    Durch beide zog er jetzt hindurch
    Die Scheide seines Schwerts –
    Sie hingen, wie Pistolen schier,
    Am Sattel seines Pferds.
     
    Dann schlug er um die Schultern sich
    Den Mantel schwarz und rot,
    Als zög' er in die Ritterschlacht
    Zum Siege oder Tod. –
     
    Die Stadt hindurch, auf hartem Stein,
    Da schien der Renner faul;
    John Gilpin sprach: »O schäme dich,
    Bist du ein Karrengaul?«
     
    Doch

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