Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
plötzlich, draußen vor dem Tor,
    Verging ihm aller Spott,
    Der Braune schnob und wieherte
    Und setzte sich in Trott.
     
    »Still, still, mein Tierchen«, ächzte John,
    »So wirf mich doch nicht ab!«
    Doch, wie er auch am Zügel riß,
    Galopp ward aus dem Trab.
     
    Und auf und nieder, her und hin,
    Flog unser armer Tropf,
    Bald hielt er an der Mähne sich
    Und bald am Sattelknopf.
     
    Das arme Pferd, das immer sonst
    Gelenkt von sichrer Hand,
    Es kam bei Gilpins Reiterei
    Zuletzt um den Verstand.
     
    Und wie vom Teufel angeschürt,
    Durch ging es voller Wut;
    Ab riß ein Baum von Gilpins Kopf
    Perücke, Zopf und Hut.
     
    Scharf blies der Ost; noch flaggte bunt
    Des Mantels weiter Schoß –
    Jetzt aber ging er in die Welt,
    Die Knöpfe ließen los.
     
    Die Hunde bellten Dorf um Dorf,
    Die Kinder lärmten mit,
    Und alles schrie: »Das nenn' ich brav,
    Das nenn' ich einen Ritt!«
     
    Die Nachbarweiber klatschten sich
    Bereits die Mäuler wund;
    Die eine wußt' es ganz genau:
    Es gelte tausend Pfund.
     
    Die Zolleinnehmer hielten's auch
    Für Wetteritt und Lauf
    Und rissen mit geschäft'ger Hand
    Die Gittertore auf.
     
    John Gilpin schlüpfte heil hindurch,
    Nicht so das Flaschenpaar,
    Die eine ließ den Kork zurück,
    Den Hals die andre gar.
     
    Hin troff der rötliche Likör,
    Man dacht', es wäre Blut,
    Und murrend klang es hie und da:
    Der
spornt auch allzu gut!«
     
    Jetzt aber in Klein-Islington
    Hinein sprengt unser John;
    Es harrte schon, mit Gruß und Kuß,
    Die Gattin am Balkon.
     
    Sie ruft ihm zu: »Halt, Gilpin, halt!
    Wo willst du hin? so sprich!
    Die Kinder haben Hunger schon
    Und weinen bitterlich.«
     
    John Gilpin hört's; in tiefem Schmerz
    Fleht er den Braunen: »Steh!«
    Doch ach, der Braune hat kein Herz
    Für eines Vaters Weh.
     
    Zwei Meilen hinter Islington
    Da liegt ein zierlich Haus,
    John Gilpins Freund, der Appreteur,
    Zog sommers da hinaus.
     
    Der Braune machte oft den Weg,
    Und wiehernd jetzt am Zaun
    Ruft er den Herrn, der aber will
    Kaum seinen Augen traun.
     
    »He, Gilpin, he! was ist geschehn?
    Was kommt Ihr überhaupt?
    Und wenn Ihr kommt, warum beschmutzt,
    Barhäuptig und bestaubt?«
     
    John Gilpin drauf: »Was ich hier soll,
    Das frage dieses Tier;
    Wir ritten scharf, Perück' und Hut
    Sind darum noch nicht hier.«
     
    Laut lachte da der alte Freund,
    Es war ein lust'ges Blut, –
    Er nahm sich die Perück' vom Kopf
    Und sprach in frohem Mut:
     
    »Nimm hin! Du starrst von Staub und Schmutz,
    Drum scheint sie noch zu klein,
    Doch wasch' nur erst die Kruste ab,
    So wird sie passend sein.«
     
    John Gilpin nahm und dankte viel
    Und sprach zum Pferde dann:
    »He Freund, ich hab' für dich getan,
    Was man nur tuen kann.
     
    Du wolltest her zu deinem Herrn,
    Ich ehrte diesen Trieb,
    Nun aber trag' auch mich zurück
    Zu meinem treuen Lieb.«
     
    Er sprach es kaum, da kreischte laut
    Ein Esel hinterm Heck,
    Und Roß und Reiter zitterte,
    So packte sie der Schreck.
     
    Wie wenn ein Löwe wo gebrüllt,
    So griff der Renner aus –
    Auf tauchte bald Klein-Islington
    Samt seinem Kaffeehaus.
     
    Die Gattin harrte immer noch
    Des Gatten am Balkon,
    Jetzt sah sie ihn und wandte sich
    Zum Schwager Postillon:
     
    »Sieh, diese halbe Kron' ist dein,
    Mein wackerer Gesell',
    Schaffst du mir meinen Ehemann
    Lebendig hier zur Stell'.«
     
    Der Postillon, der war nicht faul,
    Aus zog er auf den Fang
    Und hakte bald nach Mann und Roß
    Mit Zügel und mit Strang.
     
    Dem Braunen aber deucht' es schier,
    Als wär's ein Peitschenhieb,
    Er lief, daß selbst der Postillon
    Im Hintertreffen blieb.
     
    Sechs Reiter kamen just des Wegs,
    Die sahen Gilpins Flucht,
    Und wie der Postillon umsonst
    Ihn einzuholen sucht.
     
    Sie jagten mit und schrien laut:
    »Halt't ihn! ein Dieb! ein Dieb!«
    John Gilpin aber unverkürzt
    Des Tages Sieger blieb.
     
    Und wie ein Jockey bester Art,
    Mit Weste, Stulp und Kapp –
    Erst wo er aufgestiegen war,
    Da stieg er wieder ab.
     
    Und nun zum Schluß: dem König Heil,
    Und Heil! John Gilpin, dir,
    Und setzt du wieder dich zu Roß,
    So bitt' ich, sag' es mir.
     
     

Die drei Raben
     
    Drei Raben saßen auf einem Baum,
    Drei schwärzere Raben gab es kaum.
     
    Der eine sprach zu den andern zwei'n:
    »Wo nehmen wir unser Frühmahl ein?«
     
    Die andern sprachen: »Dort unten im Feld
    Unterm Schilde liegt ein erschlagener Held.
     
    Zu seinen Füßen liegt sein Hund
    Und hält die Wache seit mancher Stund'.
     
    Und seine Falken umkreisen

Weitere Kostenlose Bücher