Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
ihn scharf,
    Kein Vogel, der sich ihm nahen darf.«
     
    Sie sprachen's. Da kam eine Hinde daher,
    Unterm Herzen trug sie ein Junges schwer.
     
    Sie hob des Toten Haupt in die Höh
    Und küßte die Wunden, ihr war so weh.
     
    Sie lud auf ihren Rücken ihn bald
    Und trug ihn hinab zwischen See und Wald.
     
    Sie begrub ihn da vor Morgenrot,
    Vor Abend war sie selber tot.
     
    Gott sende jedem Ritter zumal
    Solche Falken und Hunde und solches Gemahl.
     
     

Die zwei Raben
     
    Ich ging übers Heidemoor allein,
    Da hört' ich zwei Raben kreischen und schrein;
    Der eine rief dem andern zu:
    »Wo machen wir Mittag, ich und du?«
     
    »Im Walde drüben liegt unbewacht
    Ein erschlagener Ritter seit heute Nacht,
    Und niemand sah ihn in Waldesgrund
    Als sein Lieb und sein Falke und sein Hund.
     
    Sein Hund auf neuer Fährte geht,
    Sein Falk' auf frische Beute späht,
    Sein Lieb ist mit ihrem Buhlen fort –
    Wir können speisen in Ruhe dort.
     
    Du setzest auf seinen Nacken dich,
    Seine blauen Augen, die sind für mich,
    Eine goldene Locke aus seinem Haar
    Soll wärmen das Nest uns nächstes Jahr.
     
    Manch einer wird sprechen: ich hatt' ihn lieb!
    Doch keiner wird wissen, wo er blieb,
    Und hingehn über sein bleich Gebein
    Wird Wind und Regen und Sonnenschein.«
     

Lord Maxwells Lebewohl
     
    »Leb wohl, leb wohl, liebe Mutter mein,
    Und leb wohl, meines Vaters Haus,
    Lebt wohl, es soll geschieden sein,
    Ich muß in die See hinaus;
    Leb wohl, du Garten im Sonnenschein,
    Drin die Maienglöckchen stehn,
    Und vor allem leb wohl, liebe Lady mein,
    Ich muß von dannen gehn.
     
    Lord Johnston erschlug ich am Wege hier,
    Es war eine dunkle Nacht,
    Lord Johnston erschlug meinen Vater mir,
    Und so hab ich's quitt gemacht;
    Drei Jahre harrt' ich bei Nacht, bei Tag,
    Meinen Vater gerächt zu sehn,
    Ich hab' nicht Reu, was kommen mag,
    Aber von dir muß ich gehn.
     
    Und hätt' ich Reu, ich dächt' an den Tag,
    Der wie gestern vor mir steht,
    Wo mein Vater auf seinen Knieen lag
    Und die Johnstons um Gnade gefleht;
    Sie hieben ihm ab die flehende Hand,
    Geschehn ist, was geschehn,
    Nun muß ich lassen Lieb' und Land
    Und, lieb' Lady, von dir gehn.
     
    Leb wohl, Carnarven, mein Fels, mein Schloß,
    Leb wohl auf manches Jahr,
    Leb wohl, du Wald, du stiller Genoß,
    Darinnen ich glücklich war,
    Leb wohl, Lochmabens Birkenhain,
    Und du Platz, wo die Tannen stehn,
    Und vor allem leb wohl, lieb' Lady mein,
    Denn ich muß von dir gehn.«
     
    Sie hielt ihn an ihr Herz gepreßt:
    »Bleib hier und bleibe mir!
    Meines Bruders Schloß ist stark und fest
    Und doppelt fest mit dir;
    Die Hamiltons und die Douglas beid',
    Sie werden zu uns stehn –«
    »Es bricht mein Herz in Weh und Leid,
    Aber von dir muß ich gehn.«
     
    Er nahm einen Ring, an dem Ringe hing
    Ein Kreuz von rotem Stein:
    »Nimm hin den Ring und trage den Ring
    Und vor allem gedenke mein,
    Denn ach, vergäßest du mich je,
    Um nach andrem Glück zu sehn,
    Rück flög' ich über die schäumende See,
    Und um alles wär' es geschehn.«
     
    Der Tag war grau, das Deck war klar,
    Lord Maxwell ging zu Schiff,
    Der Wind in allen Segeln war,
    Die Bootsmannspfeife pfiff;
    Ein Streifen schwand das Ufer jetzt,
    »Ade!« Die See ging hohl,
    Und Wind und Wogen verschlangen zuletzt
    Lord Maxwells Lebewohl.
     
     

Melrose-Abbey
     
    Und willst du des Zaubers sicher sein,
    So besuche Melros' bei Mondenschein;
    Die goldne Sonne, des Tages Licht,
    Sie passen zu seinen Trümmern nicht.
    Wenn die Bögen und Nischen im Schatten stehn,
    Die Ecken und Pfeiler wie Silber sehn,
    Wenn das weiße, kalte, zitternde Licht
    Um den Mittelturm seine Girlanden flicht,
    Wenn die Strebepfeiler sich wechselnd reihn,
    Halb Ebenholz, halb Elfenbein,
    Wenn's schneeig auf allen Gräbern liegt
    Und die weißen Figuren noch weißer umschmiegt,
    Wenn das Rauschen des Tweed, weitab gehört,
    Wie Summen die nächtige Stille stört –
    Ja, dann tritt ein: bei
Mondesschein
    Besuche Melros' und –
tu es allein.
     
     

Die Blumen des Waldes
     
    (Nach der Schlacht bei Flodden)
     
    Ich hörte sie singen, wenn morgens sie gingen,
    Die Herde zu melken, die draußen steht;
    Nun hör' ich ihr Wehe, wo immer ich gehe-
    Die Blumen des Waldes sind abgemäht.
     
    Vorüber das Necken an Wegen und Hecken,
    Still eine neben der andern geht,
    Sie können nicht scherzen mit Trauer im Herzen.
    Und was sie sprechen, ist leises Gebet.
     
    Kein Erntereigen; es schweigen die Geigen,
    Kein Tänzer, der fröhlich im Tanze sich

Weitere Kostenlose Bücher