Gedrillt
sehr förmlich sein. Trotz der Freundschaft, die bis in meine Kindheit zurückreichte – oder vielleicht gerade um dieser Freundschaft willen –, hätte Frank den Vorschlag vielleicht hochverräterisch und beleidigend gefunden. Ich beschloß, das lieber nicht zu riskieren. »Eins ist mir aber noch nicht ganz klar, Frank«, sagte ich. Er hob eine Augenbraue. »Du hast Teacher nach mir geschickt und mich bei der Vernehmung dieses alten Apparatschiks durch Larry Bower hospitieren lassen. Warum?« Frank lächelte. »Hat Larry dir denn das nicht erklärt?«
»Nein«, sagte ich. »Larry hat nichts erklärt.«
»Ich dachte, die Vernehmung würde dich vielleicht interessieren. Ich erinnerte mich, daß du Stinnes ja mal betreut hast.«
»Warum hat man mir nicht einfach die Abschrift gezeigt?«
»Des Vernehmungsprotokolls?« Geschürzte Lippen und ein Nicken, als sei dies eine neue und höchst interessante Anregung. »Das hätten wir natürlich tun können. Ja.«
»Möchtest du hören, was ich glaube?« sagte ich.
»Aber gewiß doch«, sagte Frank mit der unterdrückten Ironie, mit der liebende Eltern ein naseweises Kind gewähren lassen. »Sag’s mir.«
»Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich wunderte mich, daß du mir gestattet hast, mir einen noch aktiven Agenten so aus der Nähe anzusehen. Vor so was raten die Lehrbücher unseres Berufs ja dringend ab.«
»Ich richte mich nicht immer nach den Lehrbüchern«, sagte Frank.
»Du bist aber kein Querkopf und nicht verdreht. Wenn du etwas tust, verfolgst du einen Zweck damit.«
»Was wurmt dich eigentlich, Bernard?«
»Du hast mich in dieses sichere Haus in Charlottenburg nicht eingeladen, weil du wolltest, daß ich der Vernehmung zuhöre und mir diesen Valeri mal ansehe, sondern damit dieser Valeri mich anschauen konnte, und zwar aus der Nähe.«
»Weshalb hätte ich das wollen sollen, Bernard?« Er fand einen Fussel an seinem Ärmel, zupfte ihn ab und ließ ihn in den Aschenbecher fallen.
»Vielleicht um herauszukriegen, ob Valeri mich identifizieren könnte als einen von den Leuten, die in das Rauschgiftgeschäft verwickelt sind.«
»Weißt du, man kann auch zu mißtrauisch sein«, sagte Frank sanft.
»Nicht in unserer Branche.« Er lächelte. Er bestritt meine Behauptung nicht.
»Du brauchst Urlaub, Bernard.«
»Recht hast du«, sagte ich. »Und inzwischen, wann soll ich also zu dieser Tour über die Autobahn aufbrechen?«
»Erst in ein paar Tagen«, sagte Frank. »Frühestens am Dienstag.« Wahrscheinlich dachte er, es würde mir ganz recht sein, ein paar Tage in Berlin vertrödeln zu können, aber ich hatte es eilig zurückzukommen, und er muß mir das am Gesicht abgelesen haben. »Nimm es von der besten Seite. Auf die Weise kannst du heute abend zu Werners Kostümfest gehen.« Als ich auf diese Bemerkung nichts erwiderte, fügte er hinzu: »Das liegt außer unserer Kontrolle, Bernard. Wir müssen einfach auf die Botschaft warten.«
»Wann werde ich instruiert?«
»Eine offizielle Instruktion findet nicht statt. Wir behandeln die ganze Sache sehr diskret. Aber Jeremy Teacher wird dich begleiten. Er wartet unten. Ich werde ihn jetzt kommen lassen, und dann kann er dir erzählen, was er vorhat.« Frank nahm das Haustelefon ab und sagte:»Schicken Sie bitte Mr. Teacher rauf.« Ich war nicht gerade entzückt von der Aussicht, mir von Mr. Teacher erzählen zu lassen, was er vorhatte.
»Bitte, Frank, eins möchte ich aber klarstellen«, sagte ich. »Soll Teacher die Sache durchziehen oder ich?«
»Es ist absolut unnötig, einen Chef zu benennen«, sagte Frank. »Mit Teacher kommt man gut aus. Und der Job ist ja auch ziemlich einfach.«
»Komm mir nicht mit diesen glatten Sprüchen aus der Londoner Zentrale, Frank«, sagte ich. »Wenn ich einen Staatsangehörigen der DDR auf DDR-Territorium in den Wagen steigen lasse und über die Grenze bringen soll, ist das Einsatzdienst. Wann hat Teacher jemals im Einsatzdienst gearbeitet?«
»Hat er nie«, gab Frank zu. »Und er war auch nie Geheimagent. Ich nehme an, daß du darauf hinauswillst?«
»Du hast verdammt recht, lieber Frank, gerade darauf will ich hinaus. Ich werde allein fahren. Ich habe keine Lust, das Kindermädchen für einen Federfuchser zu machen, der sich mal den rauhen Wind des Lebens um die Nase wehen lassen will.«
»Du schaffst es nicht alleine. Du wirst einen Fahrgast haben. Irgend jemand muß den Wagen lenken. Wer weiß, was für unerwartete Dinge unterwegs passieren. Wir können das Risiko nicht
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