Gedrillt
inwieweit meine Karte dazu beitrug. Der Auktionator sah in die Ferne und ließ sich absichtlich nicht anmerken, aus welcher Richtung die Gebote kamen. Die Folge verlangsamte sich nun. Die erste Aufregung beim Bieten hatte sich gelegt, jetzt blieben noch die ernsthaften Interessenten. »Eintausendneunhundert!« rief der Auktionator, und je mehr die Gesamtsumme sich erhöhte, desto größer wurden die Sprünge. Plötzlich waren wir bei den höheren Geboten. Ich klappte die Karte hoch, um dabeizubleiben, aber irgend jemand hinter mir war ebenfalls interessiert. Wir standen jetzt bei dem doppelten Schätzpreis, und die Gebote kamen noch immer.
Der Auktionator sah nicht überrascht aus. An diesem Morgen waren Sachen passiert, die er eher erstaunlich finden mochte: Artikel hatten gar nicht interessiert, andere das Drei- oder Vierfache des Schätzpreises gebracht. Ich versuchte mich zu erinnern, wieviel Geld ich in der Brieftasche hatte außer der mir von Hoffmann übergebenen Summe. »Zweitausendfünfhundert!« Die Summe wurde jetzt jedesmal um hundert Schilling erhöht.
»Zweitausendsechshundert!« Hinter mir boten zwei andere für den verdammten Umschlag. Ich wandte mich um, sah aber keinen meiner beiden Rivalen.
»Zweitausendneunhundert!« Der Auktionator sah mich an, eine Augenbraue hochgezogen. Ich zeigte wieder meine Karte, und er hob die Augen zu jemandem im hinteren Teil des Raums. »Dreitausend …« Und noch ehe er es sagte, blickte er über meinen Kopf und fuhr gleich fort: »Drei eins …, drei zwei …« Seine Augen kehrten zu mir zurück. Ich hielt die Karte entschlossen aufrecht, und seine Augen glitten diskret über mich hinweg in den Saal. »Drei drei …, drei vier …, drei fünf …« Er war inzwischen nicht einmal mit den Augen zu mir zurückgekehrt. Anscheinend kämpften es zwei untereinander aus. Keiner von beiden schien nachzugeben. Ich drehte mich um. Ein Angestellter des Auktionshauses stand in einer Ecke des Saals am Telefon. Er hob die Hand. Es bot also ein Telefonkunde gegen mich und außerdem jemand hinten im Saal.
»Dreitausendsiebenhundert Schilling.«
Eine Art Pause erlaubte den Augen des Auktionators, zu mir zurückzukehren. »Dreitausendsiebenhundert Schilling da
hinten im Saal«, sagte er. Ich nickte. »Drei acht, hier vorn.«
Irgendwo hinter mir hörte ich eine deutsche Stimme sagen: »Drei neun.« Und dann sagte eine andere deutsche Stimme: »Viertausend am Telefon.«
»Viertausendeinhundert da hinten im Saal«, sagte der Auktionator. Und sofort danach: »Vier zwei …, drei …, fünf.« Selbst der Auktionator war überrascht. »Viertausendsechshundert da hinten im Saal.«
Er sah mich an. Ich nickte. Er blickte auf und sagte: »Vier …« und dann: »Fünftausendeinhundert Schilling da hinten.« Ich drehte mich um, in der Hoffnung, den Mann zu entdecken, der da gegen mich bot, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Mann am Telefon abwinkte. Der Bieter am Telefon stieg also aus.
»Zum zweitenmal: fünftausendeinhundert Schilling«, sagte der Auktionator und sah mich forschend an. Ich hob die numerierte Karte. »Fünf zwei da vorne.« Für einen Augenblick glaubte ich, daß mehr nicht geboten würde. Ich war erleichtert. Wenn ich alle meine Taschen auskehrte und das Hotel zur Annahme eines englischen Schecks überredete, konnte ich diese Summe gerade noch in bar zusammenkratzen. Dann sagte der Auktionator: »Fünf drei …« und dann, ohne in meine Richtung zu schauen: »Fünf vier …, fünf fünf …«
Irgend jemand anders hatte angefangen mitzubieten, und ehe ich Atem holen konnte, war der Preis bei sechstausend österreichischen Schillingen.
Der Auktionator pochte wieder mit dem Hammer: »Zum dritten …« Ich schüttelte den Kopf. »Verkauft.« Wieder einmal hatte das Department seine Anordnungen gegeben und es dann so eingerichtet, daß der Mann im Einsatz diese nicht durchführen konnte. Ich steckte die Karte mit der Nummer als Souvenir in die Tasche und erhob mich. Ich wollte den Mann sehen, der nun besaß, was zu kaufen man mich hergeschickt hatte.
Er versuchte nicht, sich zu verbergen. Er mochte um die sechzig sein, welliges Haar, ein bißchen Übergewicht, aber sonst körperlich gut in Form. Er trug ein Jackett mit Schottenkaro, dunkle Hosen und eine gepunktete Fliege. Der sauber gestutzte graue Bart und die eingeschliffene Brille mit Goldrand paßten zu der Erscheinung eines amerikanischen College-Professors während eines Studienurlaubs. Er stand an eine
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