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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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verdient. Als wir endlich an der Bar saßen, sagte er:»Was zum Teufel ist da los gewesen? Sie waren doch auch da. Sie haben gesehen, wie ich den verdammten Umschlag ersteigert habe. Oder fange ich an zu spinnen?«
»Sie fangen nicht an zu spinnen«, sagte ich.
»Haben Sie mir gesagt, wie Sie heißen?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Ich fange nicht an zu spinnen«, sagte Johnson. »Diese Österreicher spinnen. Geben Sie mir einen doppelten Scotch«, rief er dem Barmann zu. Er hob die Augen, und ich nickte. »Zwei doppelte Scotch.«
»Lassen Sie mich zahlen«, sagte ich. »Ich scheine plötzlich eine Menge Bargeld zu haben.«
»Ich auch«, sagte er und lachte. »Ich muß hier raus, diese Leute machen mich verrückt. Soll ich Sie zum Flugplatz mitnehmen? Oder haben Sie einen Wagen?«
»Wann?«
»Ich nehme die Sieben-Uhr-Maschine nach Wien«, sagte er, und ich teilte ihm mit, daß mir das sehr gut passen würde. Der Whisky beruhigte ihn. Ich ließ ihn über seine Briefmarken reden, machte dazu passende Zwischenbemerkungen und dachte an andere Dinge.
Später begleitete ich ihn nach oben. Sein Zimmer lag in der Nähe der Treppe, meins weiter denselben Korridor entlang. Beim Eintreten sagte er: »Ich werde ein Bad nehmen und vielleicht einen Happen essen. Treffen wir uns in der Lobby so gegen halb sechs?«
»In Ordnung«, sagte ich.
Dann, als er die Zimmertür hinter sich schloß, hörte ich ihn sagen: »Sieh mal einer an!«, und ich fragte mich, worauf er anspielte. Aber inzwischen hatte ich mich schon an sein aufbrausendes Temperament gewöhnt und nahm an, daß er mit sich selbst redete.
Ich hatte noch viel Zeit. Ich fragte mich, ob ich London anrufen und ihnen sagen sollte, daß jemand anders den Umschlag gekauft hatte, beschloß aber, das noch für ein, zwei Stunden aufzuschieben. Dann würde ich schon mit einem Beamten vom Spätdienst sprechen anstatt mit Dicky oder Stowe. Ich ging ans Fenster und starrte in die regengepeitschte Straße hinab. Die Touristen waren nicht unterzukriegen. Fest eingeknöpft in ihre langen Regenmäntel aus buntgefärbtem Plastik, die Füße in transparenten Überschuhen, die Kapuzen fest um ihre grimmigen, roten Gesichter zugeschnürt, stapften sie vorbei wie kampfgehärtete Veteranen auf dem Weg zur Front. Ich holte ein Glas aus dem Badezimmer und goß mir einen zollfreien Scotch ein. Ich hatte Gloria versprochen, diesmal während meiner Abwesenheit keine harten Sachen anzurühren, aber da hatte ich noch nicht mit dem Fiasko bei der Auktion und der Notwendigkeit, mein Versagen erklären zu müssen, gerechnet.
Ich streifte die Schuhe ab, streckte mich auf dem Bett aus und döste. Schon seit dem Morgen wollte – wie ein an der Leine zerrender Pudel – mein Geist irgendeine andere Zeit, irgendeinen anderen Ort erforschen. Doch die flüchtigen Erinnerungen, die er verfolgte, blieben verschwommen, grau und unscharf. Jetzt, als ich die Augen schloß und mich entspannte, kam mir, was mich schon den ganzen Tag über beunruhigte. »Deuce« Thurkettle! Jesus Christus, wie hatte ich je Deuce Thurkettle vergessen können, selbst wenn er es jetzt vorzog, sich Ronnie zu nennen? Persönlich war er mir nie begegnet, aber seine Akte war unvergeßlich.
»Deuce« nannte man ihn nicht, weil er immer der zweite, der Verlierer war oder Glück beim Pokern hatte, sondern wegen des barbarischen Doppelmords, der ihn ins Gefängnis gebracht hatte. Deuce Thurkettle kam nach Berlin nach seiner Entlassung aus dem Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses in Arizona, wo er nach seiner Verurteilung zu lebenslänglicher Haft einsaß. Vielleicht war es ein langer, langweiliger Nachmittag nach zu reichlichem Genuß von Hühnchen nach Südstaatenart, als ein aufgeweckter junger Bursche hinter einem Schreibtisch in Langley, Virginia, die glänzende Idee hatte, einen verurteilten Mörder mit einem Touristenvisum nach Berlin zu schicken, um einen störenden KGB-Agenten zu beseitigen, der bisher nicht zu fassen gewesen war.
Ich erinnerte mich der Akte Deuce Thurkettles und wie ich sie in einem Zug durchlas. Ich nehme an, ich las sie zum Teil deshalb, weil ich sie eigentlich gar nicht zu sehen kriegen sollte. Es war ein CIA-Dokument, das ganz unten an dem feuchten, dunklen Ort begraben lag, wo die CIA ihre Geheimnisse vergräbt. Und da hätte es auch bleiben sollen. Aber der arme alte Peter Underlet hatte es mit nach Hause genommen. Er hatte es mir eines Abends gezeigt, nachdem wir in seiner Wohnung zu Abend gegessen – und zwei

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