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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Flaschen wunderbaren Chateau Beychevelle geleert hatten. Ich erinnerte mich jetzt aller Einzelheiten jener bizarren Einsicht in die beschränkte Denkungsart des Verwaltungsmannes: »… und Thurkettles Kenntnis elektronischer Zeitbestimmungsapparaturen, komplizierter Schlösser, moderner Handfeuerwaffen und Sprengstoffe sowie seine erprobte körperliche Tüchtigkeit qualifizieren ihn als ausgezeichneten Geheimagenten für den praktischen Einsatz.« Underlet hatte die Akte an dieser Stelle eines langen Berichts aus Langley geöffnet, ehe er mir das ganze Ding auf die Knie knallte. »Sehen Sie sich das an«, sagte Underlet bitter. »Da erfährt man, was diese Scheißköpfe in Washington von Geheimagenten für den praktischen Einsatz halten. Ohne irgendeine Ausbildung oder Erfahrung wird dieser mordende Bastard über Nacht zum Agenten, zum ausgezeichneten sogar, wie es da heißt.« Ich weiß noch, wie Underlet sich in seinen Sessel zurücklehnte und seinen Wein trank und schwieg, während ich die Akte durchlas. »Deuce« Thurkettle. Wie hatte ich ihn vergessen können, den ersten eines Trios von Killern, die unerbeten und unwillkommen die Niederlassungen der CIA in Europa heimsuchten zu jener unseligen Zeit?
Später, Wochen später kamen wir noch mal darauf zu sprechen. Zu der Zeit war ich schon entrüsteter über die Moral von Washington, D.C. als über die Vorstellung eines Bürohengsts von den Qualifikationen eines Agenten, die bei dieser Gelegenheit ans Licht kam.
Ich lag nicht mehr, ich saß im Bett und war mir voll des rasenden Pulsschlags und der Anspannung bewußt, die immer ankündigen, daß man an die Schwelle eines wichtigen Erinnerns kommt. Was war schließlich aus den drei Galgenvögeln geworden? Alle drei erhielten die komplett ausgestatteten neuen Identitäten, mit denen man später Mafiosi belohnte, die Kronzeugen geworden waren. Thurkettle: Thurkettle. Es gab Vermutungen, daß er den Chef einer Supermarktkette in Köln umgebracht habe. Den Mann, mit dessen Frau Thurkettle eine Liebesaffäre hatte. Ich war nicht sicher, daß das Thurkettle war. Hatte Thurkettles Name auf einer dieser »Dringend gesucht – Vertraulich«-Listen gestanden? Meine Erinnerung griff jedesmal zu kurz.
Inzwischen war ich auf den Füßen. Ich ging im Zimmer auf und ab in der Gewißheit, daß all das nur einen Schluß zuließ, der offensichtlich werden würde, wenn erst mal Fragen gestellt wurden. Das heißt, offensichtlich für den, der die Fragen stellte. Ich beschloß, Johnson noch ein wenig auszufragen über Thurkettle und was sonst noch herauskommen würde. Ich zog die Schuhe an und ging den Korridor entlang, um an der Tür von Johnsons Zimmer zu klopfen. Keine Antwort. Ich drehte am Türknopf und fand das Zimmer unverschlossen. Das Schlafzimmer drinnen war leer. Ein sauberes Hemd, Unterwäsche, Socken waren auf dem Bett ausgebreitet, wie ein gewissenhafter Kammerdiener die Kleider eines ordnungsliebenden Herrn zurechtlegen mag. Aus dem Badezimmer kam das Geräusch einlaufenden Wassers. Die Tür war geschlossen. Johnson rief: »Stellen Sie’s auf den Tisch. Da liegt Trinkgeld für Sie.«
»Es ist nicht der Zimmerservice, sondern ich«, rief ich.
»Aber ein bißchen früh noch, nicht?« Seine Stimme war verzerrt wie die eines Mannes, der sich die Zähne putzt.
»Dieser Typ Thurkettle. Mir ist was über ihn eingefallen.«
»Geben Sie mir fünfzehn Minuten.« Es pladderte, als ginge das Zähneputzen weiter energisch vonstatten. Okay, dachte ich. Alles ist normal. Ich ging in mein Zimmer zurück. Ich weiß nicht, wie lange ich da saß, ehe das Geräusch einer Explosion mich vom Stuhl aufspringen und zur Tür rennen ließ. Später las man in der Zeitung, daß die Experten die Menge des Sprengstoffs auf 300 Gramm schätzten, aber diese Menge hätte die Badezimmertür herausgerissen und vielleicht die Wand und mich dazu.
Aber ein lauter Knall war es auf alle Fälle, und der unverkennbare Gestank von Sprengstoff bewegte sich den Korridor entlang auf mich zu. Mein Kopf schien plötzlich leer. Die Erfahrung riet mir, mich unter dem Bett zu verstecken. Die Neugier reizte mich zu erkunden, was passiert war.
Wohl oder übel rannte ich den Korridor entlang in Johnsons Zimmer. Ich ging zur Badezimmertür, und als ich deren Klinke packte, fiel die Tür aus den Angeln. Ich weiß nicht, welchen Sprengstoff sie benutzt hatten, aber das Innere des Badezimmers war schwarz von Ruß und Dreck. Vielleicht kam der auch von irgendwas anderem. Das

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