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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Waschbecken war das Zentrum der Zerstörungen. Der Spiegel war verschwunden, bis auf ein paar Splitter, die noch von den Halteschrauben hingen. Darunter, einer modernen Skulptur gleich, stand noch der blaue Porzellansockel und trug ein elegantes Scheibchen Becken. Was von Johnson übrig war, lag am Boden, mit dem Gesicht nach oben, zwischen der Klosettschüssel und dem Bidet. Am Oberkörper waren schreckliche Brandwunden, und seine Kleider waren versengt. Es war sehr wenig Blut zu sehen. Die Hitze der Explosion hatte die Blutgefäße kauterisiert. Ringsherum lagen Hunderte von Porzellansplittern. Ich sah auf den ersten Blick, was passiert war. Seine Hand war nur ein Stummel, und was oberhalb des Halses von ihm übrig war, naß und glänzend und über den ganzen Marmorfußboden verspritzt. Es war die Elektrorasiererbombe, ein alter Trick, aber was für Resultate sie lieferte, sah ich hier zum erstenmal. Ermittle, welches Modell dein Opfer benützt, fülle es mit irgendeinem anständigen Plastiksprengstoff – der auf direkten Kontakt ausgerichtet ist – und versieh das Ganze mit einem properen kleinen Zünder (made in Taiwan, bitte bei Bestellung angeben, ob für 110 Volt oder für 220 Volt), und das Opfer wird die Freundlichkeit haben, sich das Präparat an die Backe zu halten und den Strom einzuschalten!
Armer Johnson. Aufgeregte Stimmen im Hintergrund verrieten, daß nun Leute ins Schlafzimmer drängten, und so schlüpfte ich zurück in diese Menge und fragte lautstark, was denn hier bloß passiert sei. Johnson. Hatte ihn irgend jemand in seinem Zimmer erwartet? War die Bemerkung, die ich gehört hatte, rhetorisch, oder galt das »Sieh mal einer an!« einem Besucher, irgend jemandem wie Deuce Thurkettle, dessen Kenntnis elektronischer Zeitbestimmungsapparaturen, komplizierter Schlösser, moderner Handfeuerwaffen und Sprengstoffe sowie seine erprobte körperliche Tüchtigkeit ihn als ausgezeichneten Geheimagenten für den praktischen Einsatz qualifizierten? Wenn aber Thurkettle der Killer war, warum? Oder, um die ganze Geschichte auf den Kopf zu stellen, war Thurkettle ein besonders sorgfältig getarnter Agent, für den man die bizarre Hintergrundstory mit der Verurteilung wegen Doppelmords als Tarnung fabriziert hatte? Und wenn das der Fall war, wer hatte Johnson getötet, angenommen, er hieß Johnson? Und unterdessen sagte mir ein anderer Teil meines Gehirns, daß die Londoner Zentrale jetzt keine Meldung von mir erwarten würde. Nicht einmal Stowe würde erwarten, daß ich jetzt Kontakt aufnähme, nicht angesichts des Schlamassels, aus dem ich hier erst mal herauskommen mußte, und bei der Wahrscheinlichkeit, daß die österreichische Polizei das Gespräch abhörte. Trotz allem erleichterte mich dieser Aufschub irgendwie.

9
    Mein Flugzeug startete in Salzburg in ein wagnerianisches Gewitter, das die Alpen mit blauen Blitzen erhellte und donnernd die Welt erschütterte. Der gegen die metallische Haut der Maschine prasselnde Regen übertönte die Stimmungsmusik aus den Lautsprechern, und das Flugzeug schlingerte und stampfte, als es gegen die heftigen Windböen ankämpfte und auf der engen Bahn zwischen den Berggipfeln in die Höhe stieg. Ich mußte noch den entsetzlichen Anblick jenes zerfetzten Körpers loswerden. Da es außer dem Flugmagazin nichts zu lesen gab, nahm ich den Briefmarkenkatalog aus meiner Reisetasche und betrachtete noch einmal die Abbildung des Umschlags, den ich nicht bekommen hatte. Ich studierte sie sehr eingehend und versuchte zu verstehen, welcher Dämon Männer dazu treibt, kostspielige Sammlungen dieser hübschen kleinen Bildchen zusammenzukaufen. Das Farbfoto war so realistisch, daß es fast schien, als könnte man den Umschlag von der Druckseite nehmen. Mit der Schere meines Schweizer Armeemessers schnitt ich die Abbildung aus und steckte sie in meine Brieftasche.
    Es war spät, als wir zur Landung in Wien ansetzten. Das Gewitter lag hinter uns, und vom mondlosen Himmel leuchteten die Sterne. Die Adresse, die Hoffmann mir gegeben hatte, lag in der Innenstadt. Ich betrachtete noch einmal den bunten Stadtplan, den ich am Abfertigungsschalter eingesteckt hatte. Da war die Stadt sehr hübsch und farbenfreudig dargestellt – mit perspektivischen Zeichnungen der Hauptsehenswürdigkeiten wie der Hofburg – und umrankt von Anzeigen für Zerstreuungen wie die »Revue Bar«, die »Kontakt-Club-Sauna« und den »Privaten BegleiterinnenService« mit Erläuterungen in Deutsch, Arabisch und

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