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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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österreichischen
Seite zu halten. Ich hatte nicht erwartet, daß es so spät werden
würde«, sagte er mit feierlichem Bedauern. Er nahm die Hand
vom Steuer, um auf ein Gehöft zu zeigen, das vor uns lag.
Erbaut in einer alten Zeit, als der Bauer mitunter die Rolle des
Kriegers spielen mußte, stand dieses Gehöft in einer
strategischen Position, von der aus man das ganze breite Tal
hinter uns unter Feuer nehmen konnte. Aus der Gruppe von
Gebäuden ragten zwei riesige Scheunen mit schneebedeckten
Dächern hervor. Über einem Hoftor von eindrucksvoller Größe
war das eingemeißelte Wappen absichtlich abgeschlagen
worden, jedoch nicht restlos, so daß ein enthaupteter Löwe sich
noch unsicher an einem halben Wappenschild festhielt. Im
Windschatten des verfallenen Pförtnerhauses saßen zwei
tschechoslowakische Verkehrspolizisten breitbeinig in den
Sätteln ihrer Motorräder. Sie beobachteten uns, als wir
vorbeifuhren.
Jenseits des Tors führte eine lange Auffahrt an leicht
dampfenden hölzernen Trögen und Schweineställen aus
Wellblech vorüber zu einem Gebäude, das einst das Haupthaus
des befestigten Guts gewesen sein mußte.
Der Wagen schaffte es gerade durch das enge, niedrige
Gewölbe, holperte über die mit Kopfsteinen gepflasterte
Einfahrt zum geschlossenen Innenhof und hielt dort an der
Hintertür eines Hauses, auf dessen Wänden die Blumenmuster
einer volkstümlichen Dekoration noch schwach zu erkennen
waren. Der Hof war groß, eine große landwirtschaftliche
Maschine rostete in einem Winkel still vor sich hin, und ein
paar Hühner, die die Ankunft unseres Wagens für einen
Augenblick aufgescheucht hatte, nahmen ihre Nahrungssuche
zwischen den Steinen wieder auf. Es roch nach brennendem
Unrat, vielleicht mußte auch nur der Ofen gereinigt werden. Auf dem Dach kletterten zwei Männer herum, die beide mit
starken Feldstechern ausgerüstet waren. Zwei weitere Männer in kurzen Ledermänteln und hohen Stiefeln saßen auf einer Bank im Hof. Die Hüte ins Gesicht gezogen, saßen sie so lässig da wie betrunkene Sonnenanbeter, aber ich erkannte die entspannte Haltung von Männern, die sich lange ruhig verhalten konnten. Und ich bemerkte die geöffneten obersten Knöpfe, die es ihnen leichtmachen würden, etwas schnell aus
einem Schulterhalfter zu ziehen.
Ohne sich zu rühren, beobachteten sie uns unter
halbgeschlossenen Augenlidern. Ich stieg aus und wartete auf
Staiger, der den Wagen sorgfältig abschloß.
Plötzlich stürzte bellend und knurrend ein großer schwarzer
Köter aus einer Tür. Mit tollkühnem Tempo und
selbstmörderischer Nichtbeachtung seiner Kette sprang er in
Richtung meiner Kehle. Als jedoch die lange Kette zu ihrer
vollen Länge gespannt war, würgte der Hund und strauchelte
stumm zu Boden. Dann riß er wütend an der Kette und
vollführte, geduckt und mit gebleckten Zähnen knurrend, ein
übertriebenes Spektakel der Angriffslust, wie es viele Wesen
tun, wenn ihr Zorn kein Ventil findet.
Die Männer auf der Bank hatten sich während dieses
Schauspiels hündischer Wut kaum gerührt. Jetzt lachte Staiger
nervös und vergewisserte sich, daß sein Hut richtig auf seinem
Toupet saß. »Gehen Sie rein«, sagte Staiger. »Ich warte hier
auf Sie.« Inzwischen hatte ich schon eine Ahnung von dem,
was mich erwartete. Das Innere des Hauses war dunkel, die
winzigen Fenster saßen niedrig in dicken Wänden. Der Boden
war mit groben, abgetretenen Fliesen belegt, und es gab keine
Möbel außer einem langen Eßtisch, der wegen seiner Größe
gegen die Wand geschoben worden war, und ein paar alten
Stühlen mit Sitzen aus geflochtenem Schilf.
Sie stand im Dämmerlicht. Sie sprach flüsternd. »Bernard!«
Mein erster Eindruck war, daß Fiona kleiner und dünner war,
als ich sie in Erinnerung hatte. Dann, mit einem Anflug von
schlechtem Gewissen, kam mir die Einsicht, daß mein langes
Zusammensein mit Gloria der Grund dafür war.
»Was für ein verdammtes, verrücktes Spiel hast du denn nun
wieder vor?« sagte ich. Die Worte kamen als Gemurmel heraus
und verrieten, nehme ich an, meine Verwirrung. Ich liebte sie
noch immer, war aber mißtrauisch, konnte mir nicht klar
darüber werden, was sie eigentlich von mir wollte, und war auf
keinen Fall willens, ihr noch mal eine Chance zu geben, mich
hereinzulegen.
»Sei nicht böse.«
»Sei nicht böse«, wiederholte ich müde. Ihre berechnende
Passivität heizte meinen Zorn an, und plötzlich schrie ich: »Du
blödes, hinterlistiges Aas. Was hast du nun wieder vor? Bist

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