Gedrillt
kleine
Frau, die sie an der nächsten Ecke aufgetrieben hatte, es für sie
gemacht hatte. Fiona fand immer eine »Perle«, die dann für sie
machte, was sie haben wollte. Sie trug unseren Ehering am
Finger. Sie sah auf unsere ineinandergelegten Hände hinab, als
dächte sie daran, ihr Ehegelübde zu wiederholen. Dies war das hinreißende Mädchen, das ich so stolz geheiratet hatte. Aber das war hundert Jahre her, und die Wandlungen, die die vergangenen anstrengenden Jahre mit sich gebracht hatten, waren ebenfalls offenkundig. Ich konnte etwas in ihr sehen, das ich nie zuvor wahrgenommen hatte: eine Müdigkeit, oder war es Angst? Vielleicht war es das, was sie mir anfänglich hatte
klein erscheinen lassen.
Sie drehte ihre Hand in meiner. Ich sagte: »Du hast deinen
Verlobungsring verloren.«
»Wir werden einen neuen kaufen.« Ich sagte nichts. »Ich arbeitete in Dresden. Ein Mann wurde getötet. Es war
eine schreckliche Nacht. Ich wusch mir die Hände im
Krankenrevier. Das war unachtsam von mir. Ich wendete den
Wagen und fuhr zurück, aber er war nicht mehr da, und
niemand hatte ihn gesehen.«
Sie verkrampfte die Hände, als wäre es eine schreckliche
Folter, mir von dem verlorenen Ring zu erzählen. Aber ich
konnte auch sehen, daß Fiona noch immer so unverzagt war
wie eh und je. Ich wußte, daß sie ihre Furcht mit dem Willen in
Schach hielt, wie eine glänzende Schauspielerin eine Rolle
spielen und einen unüberzeugenden Charakter zum Leben
erwecken kann. Ohne mir Zeit zum Antworten zu geben, fügte
sie hinzu: »Diese Hosen gehören nicht zu diesem Anzug. Die
neue Dame in deinem Leben kümmert sich nicht genug um
dich, Liebster.« Sie war jetzt kühl und entspannt, die
grauenhaften Erinnerungen wieder hinter Schloß und Riegel. »Danke, mir fehlt nichts.«
»Bügelt sie dir die Hemden? Du warst immer so penibel mit
deinen Hemden. Manchmal, seitdem ich weg bin, habe ich
mich dabei erwischt, mir Sorgen über deine Wäsche zu
machen. Ist das nicht idiotisch?« Da war Bitterkeit. Ein
bißchen von der wahren Fiona kam zum Vorschein. Alles Spaß
natürlich, die Wäsche und diese versteckten Fragen nach
anderen Frauen. Alles war Spaß, bis Fiona zur Abfahrt pfiff und der Spaß aufhörte. »Sie ist anständig, sie ist loyal, und sie liebt mich«, stieß ich, von Fionas Sarkasmus gereizt, hervor. Kaum hatte ich es gesagt, bedauerte ich es, aber es war, was sie wollte. Sobald ich meine Gefühle offenbart hatte, war Fiona bereit weiterzumachen. »Wieviel haben sie dir gesagt?« fragte
sie noch einmal.
»Nichts«, sagte ich. »Sie haben mir gar nichts gesagt.« Ich
dachte zurück an Stowes gerunzelte Stirn und seine
zurückhaltenden Antworten. Offensichtlich hatte man auch
Stowe nichts gesagt. Ich fragte mich, wer zum Teufel
überhaupt genau wußte, was hier lief.
»Armer Liebling, aber vielleicht war es doch am besten so.« »Du kommst raus jetzt«, sagte ich, mit meinen Worten
bestätigend, was meinen Augen schwerfiel zu glauben. »Ich
hatte recht, nicht wahr?« Selbst jetzt war ich noch nicht fraglos
sicher, daß sie die ganze Zeit über für London gearbeitet hatte. »Bald jedenfalls«, sagte sie.
»Du gehst doch nicht nach Berlin zurück?«
»Nur für ein Weilchen.«
»Warum?«
»Du weißt doch, wie es ist … Es gibt da andere Leute, die in
Gefahr wären. Ich muß noch verschiedene Sachen in Ordnung
bringen. Ein paar Wochen, mehr nicht. Vielleicht nur Tage.«
Ich antwortete nicht. Der Hund auf dem Hof bellte, als käme
ein Fremder. Fiona sah auf ihre Uhr. Ich erinnerte mich
plötzlich, wie sehr ich mich immer darüber geärgert hatte, daß
Fionas Hingabe an das Department für sie vor allem anderen
rangierte. Mit ihrer Karriere zu konkurrieren war schlimmer,
als es mit einem unwiderstehlichen Liebhaber aufnehmen zu
müssen. Sie muß mir diese Gefühle angesehen haben, denn sie
sagte: »Keine Vorwürfe, Bernard. Nicht jetzt jedenfalls.« Da wußte ich, daß ich die ganze Sache falsch angefaßt hatte.
In grotesker Fehleinschätzung hatte ich sie so genommen, wie
sie sich gab. Alle Frauen hassen das. Ein anderer Mann hätte sie überrumpelt, hier und jetzt mit ihr geschlafen und auf die Konsequenzen gepfiffen. Eine andere Frau hätte mir vielleicht dazu Gelegenheit gegeben. Aber wir waren wir: zwei Profis, die sich wie von Mann zu Mann über technische Probleme unterhielten. Sie trat einen Schritt zurück und sagte, indem sie prüfend ihren Ehering betrachtete: »Nur ich allein kann eine
derartige Entscheidung treffen, und
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