Gedrillt
jetzt oben ein kleines Atelier. Mußt du dir mal ansehen, wenn du das nächste Mal hier bist.«
»Zum Malen?«
»Stilleben. Früchte und Blumen und so weiter. Dicky will, daß ich wieder abstrakt male. Aber da hat er immer Farbkleckse dazugemalt. Ich bin so böse auf ihn geworden, daß ich mich schließlich auf Früchte und Blumen zurückbesonnen habe. Dicky muß sich in alles einmischen. Ich nehme an, du weißt das.«
»Allerdings.«
Als Daphne weitergegangen war, begrüßte ich die Anwesenden, unter ihnen Sir Giles Streeply-Cox, einen pensionierten Beamten des Foreign Office, und seine Frau. »Creepy Pox« (»schleichende Pest«, wie er hinter seinem Rücken genannt wurde) hätte mit seiner sanguinischen Gesichtsfarbe und den buschigen weißen Koteletten überall als wohlhabender Landwirt durchgehen können, bis man diesen barocken Whitehall-Akzent hörte. Jetzt züchtete er Rosen zwischen seinen Besuchen in London, wo er einer Beamtenprüfungskommission vorsaß, um die eher dem Müßiggang frönenden Zonen von Whitehall strich und Furcht und Verzweiflung verbreitete. Wie alle altgedienten Beamten und Politiker hatte er ein fabelhaftes Gedächtnis. An mich erinnerte er sich von einer noch nicht lange zurückliegenden anderen Abendgesellschaft. »Sie sind der junge Samson, nicht wahr? Wir haben uns beim Essen in der Wohnung der kleinen Matthews getroffen. Nouvelle cuisine, nicht? Hmm, dachte ich’s doch. Da gibt’s nie genug zu essen, stimmt’s?« Die Streeply-Coxes kannten sich aus in der Welt. Er lehnte sich zu mir herüber und sagte: »Sagen Sie mal, Samson, wissen Sie, wie dieses verdammte Stück heißt?«
»Es heißt Cordoba«, sagte ich. »Albeniz; gespielt von Julian Bream.« Ich antwortete als Autorität, denn nachdem Dicky seine Hi-Fi-Anlage gekauft hatte, hatte er das Stück wieder und wieder gespielt, um die automatische Stückauswahl vorzuführen.
»Richtiger kleiner Ohrwurm«, sagte Streeply-Cox. Er sah seine Frau an und nickte, ehe er hinzusetzte: »Meine Frau sagt, daß Sie über alles Bescheid wissen.«
»Ich versuche es, Sir Giles«, sagte ich und ging weiter mit der gemurmelten Erklärung, mir noch ein Glas Wein holen zu wollen.
Sobald ich dem angsteinflößenden Streeply-Cox entronnen war, fand ich den Gedanken, mir noch ein Glas Champagner zu beschaffen, gar nicht schlecht. Ich lauerte also dem alten Mann mit den Getränken auf und nahm mir dann ein paar Augenblicke Zeit, mich umzusehen. Über dem Kamin hing immer noch dasselbe ziemlich mitgenommene Gemälde von Adam und Eva. Dicky bezeichnete es immer als naiv in dem Bemühen, es irgendwie auszuzeichnen, aber in meinen Augen war es einfach nur schlecht gezeichnet. Das gerahmte Farbfoto von Dickys Segelboot war verschwunden. Das bestätigte die Gerüchte, daß er es verkaufen wollte. Daphne war nie glücklich gewesen über dieses Boot. Sie wurde leicht seekrank. Wenn sie aber Dicky bei seinen nautischen Wochenenden nicht Gesellschaft leistete, wußte sie um die Gefahr, daß irgendein anderes weibliches Wesen die Kabine des Kapitäns teilen würde. In dem antiken Schränkchen, das einst eine Sammlung von Streichholzschachteln enthalten hatte, lagen jetzt ein japanischer Dolch, ein paar Netsukes und ein paar andere kleinere fernöstliche Kunstgegenstände. An der Wand dahinter hingen sechs gerahmte Holzschnitte, unter ihnen die unvermeidliche »Brechende Woge«. Ein feines Drahtnetz war über das künstliche Kohlenfeuer im Kamin gespannt. Ich nehme an, weil zu viele Leute Abfälle hineinwarfen. Dicky war dauernd auf den Knien und kratzte Zigarettenstummel und zusammengeknüllte Papiere von den Kunststoffkohlen.
Sämtliche Schmuckgegenstände des Zimmers waren vollkommen neu, von Adam und Eva abgesehen, die Daphne auf einem Flohmarkt in Amsterdam entdeckt hatte. Das war ein Zeichen für Cruyers erweiterten Horizont und prallere Taschen. Ich fragte mich, wie lange Adam und Eva wohl noch gelitten waren und was sie ersetzen würde. Adam sah schon ein bißchen besorgt drein.
Als ich mir gerade über Evas Gesichtsausdruck klarzuwerden versuchte, erblickte ich meine abenteuerlustige Schwägerin Tessa und ihren Mann George Kosinski. Sie waren beide todschick angezogen, aber selbst Tessa in ihrem Pariser Modellkleid überglänzte die hinreißende Gloria nicht, die bezaubernder denn je aussah.
Tessa kam herüber. Sie mußte schon an die Vierzig sein, aber sie war noch immer höchst attraktiv mit ihrem langen blonden Haar und den leuchtendblauen Augen, und
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