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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Kombination unserer Talente und Erfahrungen war, worauf es ankam. Daß wir ein unschlagbares Team sein würden und unsere Kinder in jeder Hinsicht hervorragend. Aber solche Überlegungen führen in die Irre. Ehen lassen sich nicht durch gegenseitige Hochachtung zusammenhalten. Insbesondere wenn diese Hochachtung auf Unerfahrenheit beruht, wie das so oft der Fall ist. Jetzt kannten wir einander besser, und ich hatte entdeckt, daß Fionas Liebe zu mir nüchtern und intellektuell war, wie ihre Liebe zur Wissenschaft und ihre Liebe zu ihrem Land. Gloria war nur wenig mehr als halb so alt wie Fiona. Mein Himmel, was für ein deprimierender Gedanke! Aber Gloria hatte unbändige Energie und Lebenslust und Neugier und Widerspenstigkeit. Ich liebte Gloria, wie ich die Heiterkeit liebte, die sie in mein Leben gebracht hatte, und die grenzenlose Liebe, die sie mir und meinen Kindern gab. Aber auch Fiona liebte ich.
    »Gute Reise gehabt?« Sie versuchte, das Radio mit Sendersuche und den automatisch zurückspulenden Kassettenrecorder vorzuführen, während sie einen Bus auf der falschen Seite überholte. Sie war eine hemmungslose Autofahrerin, wie sie eine hemmungslose Geliebte war und hemmungslos in allem übrigen.
»Der übliche Trott. Salzburg und Wien. Du weißt schon.«
    Ohne den Anflug eines schlechten Gewissens sprach ich da vom üblichen Trott. Dies war nicht der richtige Moment, mich mit Gloria hinzusetzen und mir anzuhören, was sie von Fiona hielt.
    »Gar nichts weiß ich. Woher denn? Erzähl mir alles ganz genau.«
»Salzburg: Karajan unterbrach die Orchesterprobe, während wir uns eine Tasse von dem scheußlichen Kaffee genehmigten, den er unter dem Podium braut. Dann weiter nach Wien: Sonderführung zu den Brueghels und ein langweiliger kleiner Cocktail-Empfang für mich. Dann ein privates Diner mit dem Botschafter und die ungemütliche Loge, die die Botschaft in der Oper hat. Das übliche.« Sie zeigte mir die Zähne. »Ach ja, und ein wütender Hund hat mich auch angefallen.«
»Wir sind bei den Cruyers eingeladen«, sagte Gloria, als sie sich der Verkehrsampel bei Hogarths Haus näherte. »Daphne hat mich zu Hause angerufen. Sie war furchtbar freundlich. Ich war überrascht. Sie war mir gegenüber doch immer so zurückhaltend. Lange Kleider, stell dir vor! Und Smoking.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein?«
»Doch.«
»Smoking? Lange Kleider? Bei den Cruyers?«
»Am Samstag abend. Deine Schwägerin Tessa und ihr Mann kommen auch. Ich weiß nicht, wer sonst noch.«
»Und du hast zugesagt?«
»Dicky wußte, daß man dich heute zurückerwartete.«
»Gütiger Himmel!«
»Ich habe deinen Abendanzug in die Reinigung gegeben. Samstag früh soll er fertig sein.«
»Weißt du, daß diese Hosen nicht zu diesem Jackett passen?« fragte ich.
»Natürlich. Habe ich dir doch schon tausendmal gesagt. Ich dachte, du machst das, um Dicky zu ärgern.«
»Warum würde es Dicky ärgern, wenn ich Sachen trage, die nicht zueinander passen?«
»Jetzt versuch bloß nicht, mir die Schuld zu geben. Du solltest deine Anzüge immer ordentlich auf den Bügel hängen, anstatt alles herumliegen zu lassen. Kein Wunder, daß dabei deine Hosen verwechselt werden. Hat irgend jemand was darüber gesagt?«
»Es ist mir bloß aufgefallen.«
»Ich möchte wetten, jemand hat eine Bemerkung darüber gemacht, und du hast dumm dagestanden.« Sie lachte. »Was haben sie gesagt? ›Haben Sie vielleicht noch so einen Anzug zu Hause?‹ War es das?« Sie kicherte noch einmal. Gloria liebte ihre eigenen Witze. Es waren die einzigen, deren Pointen sie verstand. Aber ihr Lachen war ansteckend, und wider Willen lachte ich auch. »Nein, es ist niemandem aufgefallen, außer mir selbst«, beharrte ich.
»Höchste Zeit, daß du dir mal einen neuen Anzug kaufst. Oder was hältst du von grauen Flanellhosen und dunkelblauem Blazer? Das könntest du gut im Büro tragen.«
»Ich will keinen neuen Anzug, einen Blazer und Flanellhosen auch nicht, und wenn ich mir neue Sachen kaufte, dann jedenfalls nicht fürs Büro.«
»Ein Blazer würde dir aber gut stehen.«
Ich wußte nie, wann es ihr ernst war, und wann sie mich aufzog. »Würde ich nicht ein Wappen auf der Brusttasche brauchen?«
»Anonyme Alkoholiker?« fragte sie.
»Sehr komisch.«
»Ich habe mir ein wunderschönes Kleid gekauft«, gestand sie. »Fliederfarben mit großen Puffärmeln.« Das war es also. Die kleine Vorrede über einen neuen Anzug für mich war nur zur Beschwichtigung ihres schlechten Gewissens,

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