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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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noch
einmal.
»Wunderbar«, erwiderte ich. Sie wußte das natürlich. Daß
sie regelmäßig Nachricht über ihre Kinder – und über mich –
erhielt, war zweifellos Teil ihrer Abmachungen. Ich fragte
mich, ob in diesen Berichten auch von Gloria die Rede war.
Für einen schrecklichen Augenblick ging mir der Gedanke
durch den Kopf, daß man Gloria auf mich angesetzt hatte, um
alles, was ich tat, sagte und dachte, zu überwachen. Aber ich
verwarf den Gedanken. Gloria war zu unkonventionell, um
Spitzel zu sein.
»Natürlich fehlst du den Kindern«, fügte ich hinzu. »Aber sie hassen mich deswegen doch nicht, Bernard,
oder?«
»Nein, natürlich nicht, Liebling.«
Ich sagte das so glatt und schnell, daß sie meinen Vorbehalt
herausgehört haben mußte. Es würde ihr nicht leicht werden,
das Vertrauen der Kinder wiederzugewinnen. Sie nickte. »Und
du?«
Ich wußte nicht, ob sie fragte, ob’s auch mir gutginge oder
ob ich sie inzwischen haßte. »Mir geht’s gut«, sagte ich. »Du hast abgenommen, Bernard. Geht es dir auch wirklich
gut?«
»Ich habe ein bißchen gefastet, damit ich wieder in meine
alten Anzüge passe.«
»Ich bin froh, daß du dich nicht verändert hast«, sagte sie
etwas zweideutig, und in der banalen Aussage lag mehr echte
Zuneigung als in allem, was sie bisher gesagt hatte. Ich nehme
an, ich hätte alles sagen sollen, was ich in mir verschlossen
hielt. Ich hätte ihr sagen sollen, daß sie so schön war wie
immer. Daß sie so tapfer wie nur irgend jemand war. Daß ich
stolz auf sie war. Doch ich sagte: »Paß auf dich auf. Jetzt, wo
alles bald vorbei ist.«
»Mir wird schon nichts passieren. Mach dir keine Sorgen,
Liebling.« Ich hörte ihrer Stimme an, daß sie in Gedanken
schon nicht mehr bei mir oder bei den Kindern war. Sie dachte
schon an die nächste Stufe. So machten es Professionelle. Die
einzige Chance, zu überleben.
Das Geräusch eines großen V-8-Motors wurde hörbar.
Durch das Fenster sah ich ihren Wagen aus der Scheune
fahren, in der man ihn abgestellt hatte. Einen schwarzen
Dienstwagen. Ein derartig großes, glänzendes Fahrzeug mit
amtlichen Kennzeichen und Motorrad-Eskorte mußte
Aufmerksamkeit erregen. Und sicherlich war es unmöglich,
das Ding durch die enge Hofeinfahrt zu bugsieren und über
diesen Karrenweg voller Schlaglöcher zu fahren.
Aber Fiona hatte ein Talent dafür, das Unmögliche zu vollbringen. Das hatte sie nun schon mehr als einmal bewiesen.

11
    Kaum war ich wieder in London, kam es mir vor, als hätte ich meinen Ausflug nach Mitteleuropa nur geträumt. Tatsächlich verdrängte ich jeden Gedanken an meine Begegnung mit Fiona. Jedenfalls versuchte ich das nach Kräften. Als Gloria mich am Flughafen wiedersah, stieß sie einen Freudenschrei aus, der über das ganze Rollfeld zu hören war. Sie packte mich und küßte mich und hielt mich fest in den Armen. Erst in diesem Augenblick wurde mir das ganze Ausmaß des schrecklichen emotionalen Dilemmas bewußt, das ich geschaffen hatte. Oder sollte ich sagen des Dilemmas, das Fiona für mich geschaffen hatte? Gloria hatte ihren neuen Wagen – einen orangefarbenen Metro – vor dem Terminal Nummer 2 in der zweiten Spur geparkt, an einer Stelle, wo die auszubildenden Politessen ihre Abschlußprüfungen in Menschenfeindlichkeit abzulegen pflegten. Aber Gloria kam ungeschoren davon. Ich nehme an, weil gerade Teezeit war.
    Der Wagen war fabrikneu, und sie war darauf erpicht, mir seine wunderbaren Eigenschaften vorzuführen. Ich lehnte mich zurück und beobachtete sie mit Vergnügen. Die schreckliche Wahrheit war, daß ich mich entspannt und wirklich daheim hier in London fühlte, mit Gloria in meinen Armen. Sie war jung und lebensvoll, und sie erregte mich. Meine Gefühle für Fiona waren andere – und vielschichtiger. Sie war nicht nur meine Frau, meine Kollegin und Rivalin, sie war auch die Mutter meiner Kinder.
    Werner Volkmanns scharfzüngige Frau Zena hat einmal zu mir gesagt, daß ich Fiona geheiratet hätte, weil sie alles war, was ich nicht war. Damit meinte sie vermutlich gebildet, weltläufig, mit Verbindungen zu den richtigen Kreisen. Ich sah das anders. Meine Bildung, Weitläufigkeit und die Kreise, in denen ich mich bewegte, waren zwar vollkommen verschieden von all dem, was Fiona kannte, aber nicht von geringerem Wert. Ich hatte sie geheiratet, weil ich sie ernsthaft liebte, aber vielleicht war das eine allzusehr von Hochachtung gefärbte Liebe. Vielleicht hatten wir beide in dem Glauben geheiratet, daß es die

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