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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Geld für ihr Kleid ausgegeben zu haben.
»Gut«, sagte ich.
Das reichte nicht, sie zu beruhigen. »Ich hatte kein langes Kleid, und ich wollte keins leihen.«
»Gut. Gut. Ich habe gut gesagt.«
»Du bist ein Schwein, Liebling.« Ich küßte ihr Ohr und grunzte. »Laß das, wenn ich fahre.«
Das Abendessen bei den Cruyers muß wochenlang vorbereitet worden sein. Bei früheren Gastmählern dort hatte man Dickys Frau Daphne – eine nicht gerade begeisterte Köchin – in der Küche auftauchen und verschwinden sehen, während sie Champagner schlürfend in Kochtöpfen rührte, in Kochbüchern nachschlug und ihrem Mann Instruktionen zuzischte. Aber diesmal hatten sie einen alten Burschen mit rauher Stimme, der die Tür aufmachte und allen eintreffenden Gästen seine Alkoholfahne ins Gesicht blies; und eine ältere Dame im Kostüm eines Küchenchefs einschließlich der hohen Mütze kümmerte sich um alles, was in der Küche zu tun war. Es roch nach gekochtem Fisch, als sie aus der Küche zu uns in den Flur hinausspähte. Ob sie die Gäste zählte oder die Nüchternheit des alten Mannes überwachte, war noch ungeklärt, als die Türklingel hinter uns ertönte.
Leise Gitarrenmusik tröpfelte aus der Hi-Fi-Anlage. »Wir haben versucht, Paul Bocuse zu bekommen«, sagte Dicky, als wir in das überfüllte Wohnzimmer kamen, »aber er hat uns statt dessen seinen Sous-Chef geschickt.« Dicky drehte sich um, uns zu begrüßen, und sagte: »Gloria, Cherie! Wie toll du aussiehst«, in dem schlüpfrigen Ton, in dem er Witze erzählte. Er gab ihr höflich angedeutete Küsse auf beide Wangen, um ihr das Make-up nicht zu verderben.
»Und Bernard, alter Kumpel!« sagte er in einem Ton, der zu verstehen gab, welch ein interessanter Zufall es doch sei, daß Gloria und ich zusammen gekommen waren. »Ich brauche euch ja hier niemanden vorstellen … Seht euch nur selber um. Heute abend sind wir unter uns.«
Die meisten hatten sicherlich schon ein oder zwei Glas Wein getrunken, denn da war diese schrille Erregung, die davon kommt, daß man auf leeren Magen trinkt. Daphne Cruyer kam herüber, uns zu begrüßen. Ich hatte Daphne immer gemocht. In gewisser Weise teilte ich mit ihr das Problem, es tagein, tagaus mit Dicky auszuhalten. Sie sagte das natürlich nie direkt, aber ich glaubte, manchmal das gleiche Mitgefühl für mich bei ihr zu entdecken.
Daphne hatte Kunst studiert, als sie Dickys Bekanntschaft machte. Von beiden Erlebnissen hatte sie sich nie ganz erholt. Heute abend war das Wohnzimmer aufwendig mit japanischen Lampen und Papierfischen dekoriert. Ich vermutete, daß Daphnes Erwerb ihres ausgefallenen seidenen Kimonos mit Regenbogenmuster die Anregung zu dieser Abendgesellschaft gegeben hatte. Ich konnte mir jedenfalls kaum vorstellen, daß Dickys neue weiße Smokingjacke aus grobgesponnener Seide uns die Einladung verschafft hatte. Aber man konnte nie wissen. Daphne fragte, wie es mir gehe, in der ungewöhnlichen Tonlage, die andeutete, daß sie es wirklich wissen wollte. In dem Bemühen, ihre Freundlichkeit zu erwidern, sagte ich’s ihr nicht. Statt dessen bewunderte ich ihren Kimono und ihre Madame-Butterfly-Frisur. Sie hatte den Kimono während des Urlaubs in Tokio gekauft. Sie hatten eine zehntägige Japanreise gemeinsam mit ihren reiseerfahrenen Nachbarn gemacht. Ich wäre nie imstande gewesen zu erraten, was man auf der Ginza für eine Tasse Kaffee zahlen muß, aber Daphne hatte jeden Augenblick genossen, sogar den rohen Fisch. Sie sagte, Gloria sehe gut aus. Ich pflichtete ihr bei und bedachte den Umstand, daß die Cruyers drei Jahre gebraucht hatten, bis sie beschlossen, Gloria und mich als Paar gesellschaftlich akzeptabel zu finden, und diese gewichtige Entscheidung just in dem Augenblick gefallen war, da ich erfuhr, daß meine Frau beabsichtigte zurückzukehren.
»Dicky sagte, das alles im Büro hoffnungslos durcheinander geriet, als du weggingst«, sagte Daphne.
»Das glaube ich«, sagte ich zustimmend.
»Dicky wurde schrecklich launisch. Schrecklich verschlossen. Er tat mir leid.«
»Ich bin ja wieder da«, sagte ich.
»Und das freut mich«, sagte Daphne. Sie lächelte. Ich fragte mich, wieviel Dicky ihr über meine Zeit auf der Flucht in Berlin erzählt hatte. Hoffentlich nichts. Aber es wäre nicht das erste Mal, daß Daphne ihm Informationen entlockt hätte. Sie wußte, wie man Dicky zu nehmen hatte. Ich sollte mir mal ein paar Stunden von ihr geben lassen.
»Wir haben das Dach ausgebaut«, sagte Daphne. »Ich habe

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