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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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aufgetrieben –, kommt der Fernmeldeleutnant aus dem Hauptquartier und sagt mir, daß ich die Batterie übernehmen solle. Mann! Hat mir da plötzlich diese Suppe geschmeckt!«
Er lehnte sich zurück mit einem halben Lächeln, das aber nicht mir galt. Er sah mich in diesem Augenblick nicht einmal an. Rolf Mauser war an einem fernen Ort, in einer fernen Zeit, in Rußland, in seinem Krieg. Er rieb sich das Gesicht. »Das Kommando für sechs schwere 15-cm-Haubitzen auf PanzerFahrgestellen zu übernehmen war schon ein Einschnitt im Leben eines jungen Mannes. Ich habe es sehr ernst genommen. Ich sprach mit jedem Offizier, jedem Mann unter meinem Kommando: zwei Offiziere, neunundzwanzig Unteroffiziere, zweiundneunzig Schützen. Die meisten waren grüne Jungens von der Schulbank, vor kurzem angekommener Nachschub. In meinem Traum neulich war mir jeder Name, jedes Gesicht wieder gegenwärtig. Ich wußte sogar wieder genau, für welche Geräte und Ausrüstungsgegenstände ich da plötzlich die Verantwortung übernehmen mußte.« Er sah mich an und wollte, daß ich sähe, wie wichtig ihm das alles war. »Selbst der Geschmack dieser verdammten Erbsensuppe war wieder im Mund.«
»Und als du aufgewacht bist?«
»Hatte ich noch immer alles parat. Achtundzwanzig LKWs, zwei Motorräder, sechzehn leichte Maschinengewehre, zwanzig Maschinenpistolen, achtundvierzig Handfeuerwaffen und achtundsiebzig Karabiner. Selbst die Namen und Dienstgrade. Jedes einzelne ihrer blöden Gesichter.«
Für einen Augenblick dachte ich, nun würde er mir ihre Namen und Feldpostnummern herbeten und mir Einzelheiten über den Zustand der verschiedenen Waffen und Ausrüstungsgegenstände anvertrauen. Vielleicht war mir die Bestürzung am Gesicht anzusehen, denn er sagte: »Glaube mir. Ich sehe diese Männer jetzt noch vor mir. Jedes Gesicht, jedes Wort, das sie gesagt haben. Die meisten haben wir tief unter Eis und Schnee zurückgelassen. Im Sommer hatte ich nur noch ein halbes Dutzend von diesen Leuten.«
Zum allerersten Mal wurde mir bewußt, daß Rolf Mauser sein Leben lang Träumen von militärischem Ruhm nachgehangen hatte. Ein absurder Ehrgeiz vielleicht, aber nicht absurder als die Träume der meisten Männer. Und wenn man der Statistik glauben darf, enden sie nicht weniger als andere in einer glücklichen Ehe und einer liebenden Familie. »General Rolf Mauser«, das klang zwar irgendwie unwahrscheinlich, aber als sie ihm das »Lametta« verliehen haben, hat das seine Hoffnung auf Beförderung sicherlich bestärkt, wozu er jedenfalls die erforderliche Rücksichtslosigkeit hatte.
»Jeder träumt, Rolf«, sagte ich. »Mit dem Alter hat das nichts zu tun.«
»Was soll ich also machen?«
»Geh zu einem anderen Arzt.«
Er setzte ein humorloses Lächeln auf, ehe er wieder seine ganze Aufmerksamkeit dem Kaffee und dem Rest seines Gebäcks zuwandte.
Für kurze Zeit schwiegen wir beide. Dann sagte Mauser: »Der große Kleine ist tot«, während er den letzten Bissen seiner Apfeltasche hinunterschluckte.
»Habe ich schon gehört. Was hältst du davon?«
»Erzähl mir nicht, daß es Selbstmord war.«
»Ich weiß nichts darüber«, protestierte ich. »Kleindorf war nicht der Typ.« Mit der Zungenspitze entfernte er einen Krümel von einem Zahn. »Was war es also?«
»Er war Rauschgifthändler. Er hatte seine Finger in dem Aufbereitungsgeschäft, und er war der Kontakt zwischen Ost und West.«
»Wer sagt das?«
»Regelmäßige Lieferungen kommen über Schönefeld herein, werden im Westen aufbereitet, neu verpackt und nach Osten zurückexpediert. Beamte der DDR machen dabei ihren Schnitt. Das wird alles unter den Teppich gekehrt. Selbst die Westberliner Behörden lassen nichts davon verlauten.«
»Warum?«
»Nach offiziellen Angaben, weil die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten durch solche Skandale nicht belastet werden sollen.«
»Und was verlautet inoffiziell?«
Rolf ließ ein langsames Lächeln sich über sein großes, rundes Gesicht ausbreiten. »Daß Beamte auf beiden Seiten in die Sache verwickelt sind. Hohe Tiere.«
»Das klingt ein bißchen weit hergeholt«, sagte ich zweifelnd.
»Wirklich, Bernard! Wir kennen einander nun schon eine ganze Weile, stimmt’s? Willst du wirklich allen Ernstes behaupten, daß du derartige Gerüchte oder Geschichten nie gehört hast?«
»Gerüchte schon.« Ich fragte mich, ob er Geschichten von der Sorte gehört hatte, die der Doppelagent Valeri bei Larry Bower anbrachte. »Nichtsdestoweniger …«
»Kleindorf

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