Gedrillt
Ostberliner Unterschriften und Gummistempel angewiesen gewesen.
»Ich weiß nicht.« Er winkte ab. »Wenn er’s war, hat er sich jedenfalls gerade rechtzeitig daraus zurückgezogen. Er geht jetzt nicht mehr rüber.«
»Er hat in Lisls Hotel zu tun«, sagte ich. Ich sah Rolf die Asche von seinem Zigarillo abstreifen. Meine Lust zu rauchen war mir vergangen. Der Rauch, der Geruch, die Asche, schon die Vorstellung ekelten mich an.
»Natürlich«, sagte Mauser. »Und wenn ich du wäre, Bernd, würde ich mir auch irgendeine Beschäftigung suchen.« Ein vielsagender Blick. »Denn es gibt auf beiden Seiten der Mauer jetzt eine Menge Leute, die jemanden suchen, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben können. Du würdest dich fabelhaft dazu eignen.«
»Als Drogen-Kurier?«
»Wenn beide Seiten Beweise dafür beibringen? Die wären doch wohl überwältigend. Wer würde jemandem seine Unschuldsbeteuerungen glauben, wenn Ost und West eine anderslautende Geschichte miteinander verabredet hätten?«
»Woher weißt du das alles, Rolf?«
»Ich kenne eine Menge Leute, und ich spitze die Ohren.« Ich plauderte noch fast eine weitere halbe Stunde lang mit ihm, aber Rolf hatte beschlossen, nichts mehr zu sagen, vielleicht wußte er auch weiter nichts mehr, und so wechselten wir zum Klatsch über seine Familie und andere gemeinsame Bekannte. Der vorerwähnte Verwandte in Luton aber kam nicht wieder zur Sprache. Ich fragte mich, ob dieser Cousin nicht nur ein Vorwand war, den wahren Zweck seines Besuchs zu verbergen. Nicht allzu weit von hier saßen verschiedene Beamte des Departments, die nie aus ihren Bürosesseln herauskamen und froh wären, jemanden wie Rolf Mauser für Ergänzungen ihrer langen, langweiligen und tendenziösen Berichte über die DDR, Literatur, die wenig Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit hatte, zur Verfügung zu haben. Es wäre zwar sehr leichtsinnig von ihm, wenn er noch immer für uns arbeitete, aber in Anbetracht der Tatsachen, einerseits, daß das Department stets bereit war, auf jeden, der ihm nützlich sein konnte, wenn nötig Druck auszuüben, und Rolf Mausers Lust auf Abenteuer und Nebenverdienste andererseits vermutete ich, daß er genau das tat. Die Möglichkeit, daß er ein doppeltes Spiel spielte und alles, was hier vorging, der anderen Seite meldete, gab der Sache noch eine weitere Dimension. Ich hoffte, daß wer immer sein Ansprechpartner im Department sein mochte, das wohl bedacht hatte und nie außer acht ließ.
Als ich Mauser verließ, fühlte ich mich von unserer Unterhaltung beunruhigt. Irgend etwas an seinen Worten hatte mich unsicher gemacht. Ich kannte dieses Gefühl seit meiner Kindheit. Mauser genoß es, Leute zu ängstigen.
14
Ich schlug mir Rolf Mauser aus dem Kopf, während ich die Oxford Street hinaufging und bei Selfridges die Eisenwarenabteilung aufsuchte, um ein neues Scharnier für die Garagentür zu besorgen. Ich brauchte ein großes, denn das Holz der Tür war nicht mehr in bester Verfassung. Über kurz oder lang würde ich Metalltüren einsetzen lassen müssen, aber unter den gegenwärtigen Umständen scheute ich die Ausgabe. Und wenn Gloria nach Cambridge auf die Universität ging, verkaufte ich das Haus vielleicht sowieso wieder. Einer der Angestellten fand im Lager ein langes Scharnier, wie ich es brauchte. Ich hatte es bei mir – in braunes Papier gewickelt –, als ich zu der Adresse in der Upper Brook Street ging, hinter der amerikanischen Botschaft, wo mich der Feine Harry zum versprochenen Lunch erwartete. »Deine Kalaschnikow hättest du aber nicht mitzubringen brauchen, Bernard«, sagte Harry, als er das Paket sah. »Es wird alles vollkommen friedlich verlaufen, ich habe Dicky mein Wort darauf gegeben.« Er lachte dieses wohlerzogene Böse-Buben-Lachen, das manche Orientalen kultivieren. »Komm und trink was«, sagte er und führte mich in einen Raum in der ersten Etage. Wie immer war Harrys makellose Kleidung irgendwie englischer Stil: graue Flanellhosen und ein dunkler Blazer mit ziselierten Metallknöpfen und auf der Brusttasche das in Golddraht gestickte Wappen eines Golf-Clubs in Los Angeles. Mayfair ist eine exklusive Wohngegend, von deren vornehmen Wohnungen nicht wenige verkappte Geschäftslokale sind. Eine Gegend hoher Mieten und kurzbefristeter Mietverträge, wo Privatbanken, Kunsthändler und Anlageberater sich diskret hinter einfachen Messingschildern verbergen. Die Häuser dort sind klein, und der beengte, übermöblierte Raum, in den der Feine Harry mich
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