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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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führte, sollte offensichtlich die Bedürfnisse reicher Durchreisender befriedigen. Das Haus hatte die Art von Renovierung erhalten, die mein Schwager als »Behandlung mit goldenen Wasserhähnen« bezeichnete. Es gab eine Menge Tischlampen aus großen, robusten Krügen mit widerstandsfähigen Schirmen, Sofas mit losen Überzügen aus lackiertem Chintz und die Sorte Teppich, auf der Wein keine Flecken macht. Jegliche Wirkung behaglicher Wohnkultur des 18. Jahrhunderts wurde jedoch durch das in einer Ecke des Raums eingerichtete »Erfrischungsbüffet« zunichte gemacht: Auf einer Kunststofftischplatte stand dort ein Speisewärmer mit zwei gefüllten großen Kaffeekannen, Bechern, Pappbechern und Keksen sowie einer handschriftlichen Ermahnung, zehn Pence in die Kasse zu legen und mit Namen bezeichnete Becher nicht zu benutzen. »Mach’s dir bequem«, sagte Harry, während er den Erdglobus aufschloß, dessen nördliche Hemisphäre an einem am Äquator befestigten Scharnier heruntergekippt werden konnte und dann einen trinkbaren Kern offenbarte. »Einen Martini? Oder ein anderes Gift?«
    »Martini ist mir ganz recht.« Ich sah ihm bei der Auswahl der Flaschen zu: Beefeater und Noilly Prat.
»Ich will dir mal was sagen«, sagte er, während er durch den Raum ging und an einem Bücherregal zog. »Kalifornien kann mir gestohlen bleiben.« Seine Bemühungen zeitigten Erfolg, als nun ein Stück gesammelter Werke in antikem Ledereinband und Regal gleichzeitig seinem Druck wich und den kleinen Kühlschrank freigab, den die literarische Fassade kaschierte. »Yes, Sir.« Mit souveräner Fertigkeit warf er die Eiswürfel in einen Krug und hielt zwei gekühlte Gläser in der Hand, die Ginflasche unter den Arm geklemmt.
Er zog den Stöpsel aus der Ginflasche und mixte die Cocktails mit selbstverständlicher Geschicklichkeit.
»Nicht soviel Gin, bitte«, sagte ich.
»Ich habe dich nie für einen Wermutbruder gehalten«, sagte der Feine Harry, ohne meine Bitte zu berücksichtigen. Er hielt die Gläser in die Höhe, wie um die Farbe der Mixtur zu prüfen, und reichte mir dann eins. »Ich kann nur eines nicht ertragen … den Wermutsüchtigen. Spül das mal über deine Mandeln – der vollkommene Martini.«
»Ich mag Kalifornien«, sagte ich.
»Wenn du für meine Firma arbeiten würdest, würdest du’s nicht mögen«, sagte er. Er ging zum Fenster und sah hinab auf den Verkehr. Dieser hier kam vom Hydepark durch eine Einbahnstraße, wie gedrängte Herden glänzender Wandertiere stampfte er unaufhörlich vorbei. »Sie haben mich entlassen. Kannst du dir das vorstellen?«
Ich lächelte und probierte meinen Drink. Worin auch immer der Feine Harry in Kalifornien enttäuscht haben mochte, in der Kunst, Martinis zu mixen, zweifellos nicht. Harry sagte: »Es gibt da ein paar Akten, derentwegen ich dich vor dem Lunch noch um Rat bitten möchte.« Er sah auf seine Uhr. »Unser Tisch ist für ein Uhr bestellt. Ist dir das recht?«
»Klar.«
»Ich bin froh, daß wir uns heute treffen konnten, Bernard. Du weißt nicht, was für einen Gefallen du mir tust.«
»Ach ja?«
»Du bietest mir einen Vorwand, dem Büro fernzubleiben. Joe Brody ist im Lande und verteilt Arschtritte, als ginge morgen die Welt unter.«
»Joe Brody?«
Ich nehme an, er sah meine Antennen ausfahren. Er sagte: »Ja, Joe Brody! Joe Brody ist aus Wien eingeflogen und luncht heute mit dem Botschafter, das hat ihn aber nicht davon abgehalten, ins Büro zu kommen und so ziemlich jedem, der da arbeitet, Zunder zu geben.«
»Ist denn Brody so ein rüder Bursche?«
»Das kann er sein, wenn man ihn nicht zu nehmen weiß.« Er lächelte hinterlistig. »Der will mit Samthandschuhen angefaßt sein, wenn ich mal so sagen darf. Du mußt ihn doch kennen, nicht?«
»Wir sind uns in Berlin begegnet.«
»Brody ist scharf auf eine große Beförderung. Ich habe was davon läuten hören, daß er eine leitende Stellung in der Operationsabteilung kriegen soll.«
»Brody ist zu alt.«
»In der CIA, alter Kumpel, ist niemand je zu alt. Deshalb sind wir ja alle so aufgeweckt und pflichteifrig und sitzen unseren Chefs im Nacken.«
»Brody?«
»Und er sorgt dafür, daß man in Washington weiß, daß er noch lebendig und rüstig ist. Verstehst du?«
»Ich dachte, Brody säße in Wien.«
»Vergiß Brody. Mit Brody werde ich schon fertig. Laß mich dir diese Akten zeigen. Du hakst ein paar Sachen ab und sagst mir, wo wir schiefliegen, und dann gehen wir und verjubeln den Rest des Spesenetats für diesen Monat

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