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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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nahe. Sie sah traurig aus, als sie nun eine Hand auf meine Wange legte, als berührte sie eine Statue, eine kostbare Statue, aber trotzdem eine Statue. Sie schaute mir in die Augen, als sähe sie mich zum erstenmal, und sagte:
    »Manchmal, Bernard, wünschte ich, du sagtest mir, daß du mich liebst, ohne daß ich es zuerst zu dir sage.«
    »Es tut mir leid, Liebling. Haben die Kinder dir für das wunderbare Essen gedankt?«
    »Ja, die Kinder sind sehr lieb, Bernard.«
    »Du bist zu uns allen gut«, sagte ich.
    »Das Essen habe ich von Alonso kommen lassen«, gestand sie mit der Kleinmädchenstimme, die sie manchmal annahm.
    »Außer den Bratäpfeln. Die Äpfel habe ich selbst gemacht.
    Und die Eiercreme.«
    »Die Bratäpfel waren das Beste an dem ganzen
    Willkommensmahl.«
    »Ich hoffe, das Beste vom ganzen Willkommensmahl kommt noch«, sagte sie schelmisch.
    »Na, mal sehen«, sagte ich. Sie knipste das Licht aus. Es war Vollmond, und der ganze hintere Garten war in das scheußliche Blau getaucht, das ihn aussehen ließ wie ein Bild im Fernsehen. Ich hasse Mondschein.
    »Was ist?«
    »Es ist schön, daheim zu sein«, antwortete ich und starrte in den häßlichen kleinen Garten. Sie kam von hinten und legte den Arm um mich.
    »Geh nicht wieder weg«, bat sie. »Nie wieder. Versprichst

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    du’s?«
    »Ich verspreche es.« Dies war nicht der Augenblick, von der kleinen Spritztour nach Wien zu sprechen, die Dicky und Stowe für mich organisiert hatten. Sie hätte vielleicht gedacht, daß ich mich darauf freute, während ich tatsächlich eine begründete Angst davor hatte. Wien war keine große Stadt, war es nie gewesen. Eine kleine Provinzstadt, wo engstirnige Bauern anstatt auf den Schweinemarkt in die Oper gehen, um böswilligen Klatsch auszutauschen. Jedenfalls war das mein Eindruck. In der Vergangenheit hatte ich in Wien immer Pech gehabt.

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7
    Ich erinnere mich, mal einem jungen Anfänger namens McKenzie erzählt zu haben, daß, je beiläufiger man instruiert wird, desto gefährlicher die Operation zu werden verspricht, auf die man zusteuert. Das war die Sorte oberflächliche Lebensweisheit, mit der man jungen Leuten wie diesem McKenzie, die einem an den Lippen hingen und alles genauso machen wollten, wie sie’s in der Schule gelernt hatten, auf billige Weise imponierte. Ich sollte aber noch viel Zeit haben, die tiefe Wahrheit dieser Erklärung zu bedenken. Als ich mir später überlegte, wie ich in die Wiener Operation verwickelt worden war, neigte ich zu der Ansicht, daß Stowe keine Alternative gehabt hatte. Daß man ihn angewiesen hatte, mich zu schicken.
    Diese Operation hieß »Fledermaus«, nicht »Operation Fledermaus«, weil man entschieden hatte, daß die Häufigkeit des Wortes »Operation« und die Weise, wie ihm stets ein Codename folgte, den mit Computern arbeitenden
    Codeknackern der Gegenseite zu gute Chancen gab.
    Im Department wurde jedenfalls »Fledermaus« streng geheimgehalten. Diese IBA(Instruktionen bei Ankunft)-Jobs machten mich immer ein bißchen nervös, weil ich mich dabei auf die von mir erwartete Arbeit nicht vorbereiten konnte.
    Anscheinend hatte die Absicht, diese Aufgabe vor den Amerikanern geheimzuhalten, zu einer
    Informationsbeschränkung, Funkdisziplin und Behutsamkeit des Vorgehens geführt, die, wenn kein größeres Ziel angestrebt wurde, als die Sache vor dem KGB geheimzuhalten, nur selten gelangen.
    Ich flog nach Salzburg. Das ist eine glitzernde Spielzeugstadt, überragt von einer Festung aus dem elften Jahrhundert, für deren Folterkammer viel Reklame gemacht wird. Die engen Straßen der Stadt sind zwölf Monate im Jahr

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    mit Rucksacktouristen vollgestopft, und Postkarten, Speiseeis und Andenken sind überall erhältlich. Mein Hotel – wie beinahe überall anderswo in Österreich auch – lag nicht weit von einem Haus, in dem der anscheinend rastlose Wolfgang Amadeus Mozart einst wohnte. Meine Ankunft war auf das Datum einer wichtigen philatelistischen Auktion gelegt worden, und gemeinsam mit einem Dutzend oder noch mehr Briefmarkenhändlern, die mit der gleichen Maschine gekommen waren, gelangte ich im Hotel an. Ihre Eintragungen im Hotelregister zeigten, daß sie an den verschiedensten Orten zu Hause waren, unter anderem in Chicago, Hamburg und Zürich. Auf dem Empfangspult stand eine Pappfigur der jugendlichen Julie Andrews mit ausgestreckten Armen, die singend für »Meine Lieder, meine Träume« Reklame machte:
    »Visit the places where the

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