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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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daheim willkommen geheißen werden.
    Die Kinder hatten ein buntes Transparent gemalt:
    »Willkommen daheim, Papa«, und es hing jetzt über dem Kamin, in dem ein echtes Feuer flackerte. Obwohl ich zur Hälfte Berliner war, wußte ich angesichts eines Kohlefeuers

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    doch die vielen kleinen Freuden der Heimkehr zu schätzen.
    Meine wunderbare Gloria hatte ein wirklich zauberhaftes Essen zubereitet, so gut, wie es das Restaurant um die Ecke nicht hätte besser machen können. Sie hatte eine Flasche Bollinger gekühlt, und ich saß in unserem ordentlichen kleinen Vorderzimmer, die Kinder hockten auf dem Teppich und verlangten, von meinen Abenteuern in Berlin zu hören. Gloria hatte ihnen nur gesagt, daß ich dienstlich unterwegs sei. Nach ein paar auf leeren Magen genossenen Gläsern Champagner erfand ich eine verwickelte Geschichte über das Aufspüren einer Diebesbande und machte die Geschichte
    unwahrscheinlich genug, mein Publikum zum Lachen zu bringen.
    Die Art und Weise, in der die Kinder heranreiften, überraschte mich von Mal zu Mal mehr. Bei ihren Ideen und Späßen – zum größten Teil verhältnismäßig erwachsen und weltklug – brach kindliches Vergnügen durch. Da wurde plötzlich ein albernes Spiel, eine Schatzsuche oder ein Kinderlied verlangt. Ich hatte Glück, bei ihnen zu sein und zu sehen, wie sie heranwuchsen. Welches mißverstandene patriotische Pflichtgefühl hatte bloß Fiona bewegt, anderswo zu sein? Waren etwa die Prioritäten, die sie setzte, verbindlich nur für das Bürgertum? Ich war unter Jungens aufgewachsen, die alle der Arbeiterklasse angehörten und aus Gemeinschaften kamen, in der keine Loyalität wichtiger war als die zur Familie.
    Fiona hatte mich und die Kinder in ihre moralischen Verpflichtungen eingespannt. Sie hatte uns gezwungen, zu ihrem Opfer beizutragen. Weshalb sollte ich da nicht empfinden, daß mir schweres Unrecht angetan worden war?
    Ein Wecker klingelte. Ohne Aufhebens führte uns Gloria ins Eßzimmer, wo der Tisch mit unserem besten Porzellan und Glas gedeckt war. Als das Essen serviert wurde, war es köstlich. »Kann man nicht zu allen Gängen Champagner trinken?«

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    »Kann ein Fisch schwimmen?« Noch eine Flasche Bollinger und ein Risotto mit Steinpilzen. Danach gab es gebackenen Hummer. Dann einen weichen Brie mit französischem Baguette. Und zum Nachtisch riesige Bratäpfel mit Honig und Rosinen. Dazu gab es einen großen Krug leckerer Eiercreme.
    Das war ein krönender Abschluß für ein wunderbares Mahl.
    Sally suchte jede Rosine einzeln heraus und legte sie um den Rand ihres Tellers, aber das tat Sally immer. Billy zählte die Rosinen ab: »Bauer, Bürger, Edelmann …« und ermittelte, daß Sally einen Bettelmann heiraten würde. Sally meinte, dieser Abzählvers sei ihr von jeher verhaßt gewesen, und Gloria – die Optimistin, Feministin und Mathematikerin – lehnte ihn grundsätzlich ab, weil er den Mädchen eine zu geringe Auswahl an Partnern präsentierte. Die Kinder lebten beide in dem Niemandsland zwischen Kindheit und Erwachsensein.
    Billy widmete sich Autos und einer schönen Handschrift. Sally war für die Rolle der Portia in Julius Caesar ausgewählt worden und trug uns ihre Lieblingsszene vor. Ihr Teddybär spielte Brutus.
    »Ist’s im Vertrag der Ehe, sag mir, Brutus, Bedungen, kein Geheimnis sollt ich wissen, Das Euch gehört?«
    Die eheliche Prophezeiung verwerfend, erklärten wir den Abend übereinstimmend zu einem denkwürdigen
    Familienereignis.
    »Die Kinder sind jetzt alt genug, Freude an gemeinsamen Familienfeiern zu haben«, sagte Gloria, nachdem sie zu Bett gebracht worden waren. Sie stand vor dem Kamin und blickte in die Glut des heruntergebrannten Feuers.
    »Ich werde diesen Abend nie vergessen«, sagte ich.
    »Niemals.« Sie wandte sich um. »Ich liebe dich, Bernard«, sagte Gloria, als hätte sie es noch nie zuvor gesagt. »Nun, ehe ich mich hinsetze, willst du noch was zu trinken oder sonstwas?«
    »Und ich liebe dich, Gloria«, erwiderte ich. Allzulange hatte

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    ich mich gesträubt, meine Gefühle auszusprechen, weil ich noch immer so etwas wie Schuld empfand wegen des Altersunterschieds zwischen uns, aber meine Zeit fern von ihr hatte da etwas verändert. Jetzt war ich glücklich, ihr zu sagen, was ich fühlte. »Du bist wunderbar«, sagte ich, nahm ihre Hand und zog sie neben mich auf das Sofa. »Du tust Wunder für uns alle. Ich sollte dich fragen, was ich für dich tun kann.«
    Ihr Gesicht war sehr

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