Gedrillt
verstand, zuckte er mit der Nase. Auf dem Tisch vor ihm lagen zwei schöne Kataloge.
Einen davon reichte er mir. Er war einen Zoll dick und sah mit seinem farbigen Umschlag, dem ausgezeichneten
Kunstdruckpapier und den vorzüglich gedruckten Illustrationen eher wie ein teures Kunstbuch aus als ein Verkaufskatalog.
Seine Herstellung mußte ein Vermögen gekostet haben. Er schlug das Buch auf und zeigte mir Abbildungen von
- 106 -
Briefmarken und alten Briefumschlägen. Wenn irgend etwas seine Aufmerksamkeit erregte, klopfte er auf die Seiten. »Die meisten wirklich guten Sachen sind aus den alten deutschen Staaten. Württemberg, Braunschweig, dazu ein paar Raritäten aus Oldenburg, Hannover und so weiter. Hier sind auch ein paar ausgesuchte Dinge aus ehemaligen deutschen Kolonien: Post aus China, Marokko, Neuguinea, Togo, Samoa.«
Beim Durchblättern des Katalogs verlor Herr Hoffmann den Faden der Unterhaltung. Seine Augen hefteten sich auf eine Seite. »Einige dieser Togo-Umschläge scheinen wirklich wunderbar zu sein«, sagte er ehrfurchtsvoll und las die Beschreibungen mit so großer Konzentration, daß seine Lippen dabei bebten. Doch riß er sich schließlich von den wunderbaren Angeboten los und zeigte mir das auf die Innenseite des Katalogdeckels gedruckte Programm der Auktion. Darauf waren die Zeiten angegeben – acht Uhr früh bis gegen drei Uhr nachmittags, eine Stunde Mittagspause –, zu denen die verschiedenen numerierten Angebote aufgerufen werden würden. Mehrere tausend Objekte wurden angeboten, die Auktion sollte insgesamt fünf Tage dauern. »Manche reiche Sammler schicken Agenten auf die Auktionen, die den Auftrag haben, bestimmte Sachen für sie zu erwerben. Die Agenten erhalten eine anständige Provision. Sie werden ein solcher Agent sein.«
»Weshalb bieten sie nicht per Post?«
Er grinste flüchtig. »Manche Sammler mißtrauen diesen Auktionen. Wenn man per Post bietet, wird die Summe, die auszugeben man den Auktionator ermächtigt, als das höchste Angebot betrachtet, bis zu dem man mitzubieten willens ist.
Das Auktionshaus verpflichtet sich, einem nicht mehr zu berechnen als eine Stufe über das nächsthöchste Gebot hinaus.« Er quetschte Zitrone in seinen Tee und jagte mit dem Löffel nach einem Kern, fand aber, nachdem er das Glas mit den Fingerspitzen geprüft hatte, den Tee noch zu heiß zum
- 107 -
Trinken.
»Und?«
Das listige Grinsen kehrte wieder. Sein Gesicht nahm diesen Ausdruck so mühelos an, daß nicht leicht zu sagen war, ob er wirklich belustigt war oder nicht. »Jedesmal, wenn ich per Post geboten habe, hat scheinbar auf geheimnisvolle Weise jemand bis auf eine Stufe unter meinem Höchstgebot mitgeboten. Ich stellte fest, daß ich immer mein Höchstgebot bezahlen mußte.«
Er nahm seine Gabel und betrachtete seinen Kuchen mit der Konzentration eines Sprengmeisters, der überlegt, wo am besten die Dynamitladungen anzubringen seien. »So haben die Sammler Agenten, die überwachen, daß Bieter und Angebote nicht nur vorgetäuscht sind?« sagte ich. »Genau. Aber selbst auf die Weise ist es nicht leicht, jedem Schwindel auf die Spur zu kommen. Manchmal nimmt ein Bevollmächtigter des Auktionators Kaufgebote am Telefon entgegen, und dem Auktionator liegen die postalischen Gebote vor. Es ist nicht leicht festzustellen, was eigentlich vor sich geht.« Die bisherige Unterhaltung hatte immer wieder streckenweise sein kleines Lächeln begleitet, jetzt aber, als er seine Gabel ergriff und ein Stück seiner Rumkugel aß, wurde er ernst. »Der Chef der Konditorei ist Wiener«, vertraute er mir an, während er es genoß.
»Und was hat der Agent sonst noch zu tun?«
»Er sollte sich natürlich die Partien, für die er bieten wird, genau angesehen und sich vergewissert haben, daß sie nicht beschädigt, repariert oder gefälscht sind.«
»Gibt es denn viele Fälschungen?«
»Es gibt einige Stücke auf dieser Auktion, deren Schätzpreis um die hunderttausend US-Dollar liegt. Das ist jedenfalls eine ganze Menge Geld. Viele Leute bezahlen weniger Pacht für das Haus, in dem sie wohnen.«
»Ich sehe, was Sie meinen, Herr Hoffmann«, sagte ich.
»Aber haben diese Auktionshäuser nicht Experten? Wissen sie
- 108 -
denn nicht genug über Briefmarken, um eine Fälschung zu erkennen?«
»Natürlich schon. Aber Auktionshäuser kriegen ihre Prozente vom Verkaufspreis. Welche Veranlassung haben sie also, Fälschungen zu entdecken? Und was sollen sie in dem Fall tun? Ihre Kunden
Weitere Kostenlose Bücher