Gefaehrlich begabt
und ärgerte sich über ihren piepsigen Tonfall. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er gleich aufbrechen wollte. Eilig verabschiedete sie sich von Marla und Jenny, als er zum Ausgang deutete, und atmete tief durch, bevor sie ihm über den Flur folgte. Wenn sie die nächste halbe Stunde überleben wollte, musste sie sich endlich am Riemen reißen. Es konnte nicht angehen, dass sie sich immer unmöglich verhielt, sobald der Schönling den Raum betrat.
Als sie zur selben Zeit zur Klinke griffen, berührten sich ihre Hände. Ein elektrisierender Schlag durchzuckte ihren Körper. Langsam gewöhnte sie sich daran. Das Milchtütenerlebnis schummelte sich zwischen ihre Gedanken. Diesmal hielt sie ihre Hand an Ort und Stelle, einmal musste sie da durch. Sebastian grinste und ließ sie die Tür öffnen.
Die Ledersitze seines Sportwagens waren bequem und weich, Anna versank in den Polstern. Sie widerstand der Verlockung, die Augen zu schließen.
»Und, wie war deine erste Todeserfahrung?«
»Na ja, unheimlich. Aber auch interessant. Ich würde es glatt noch mal tun, wenn ich nicht so entsetzlich müde wäre.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen und Grübchen bildeten sich auf seiner Wange, Anna sah es in den Augenwinkeln.
»Bist du zu müde, um noch etwas zu essen? Ich hab totalen Kohldampf.«
»Sag du es mir, du bist der Empath.« Juhu, sie hatte sie wieder! Ihre Schlagfertigkeit kehrte zurück. Die Frage lautete, wie lange sie bleiben würde? Der Gedanke, mit ihm noch einen Abstecher zu machen, bereitete ihr Übelkeit und irgendwie auch ganz und gar nicht.
Sein Lächeln verwandelte sich in ein leises Auflachen und er lenkte den Wagen an der nächsten Kreuzung in eine andere Richtung. Den Rest der Fahrt konzentrierte sich Anna darauf, nicht die Beherrschung zu verlieren. Müdigkeit wich Nervosität, es fiel ihr schwer, die Beine stillzuhalten. Wie durch ein Wunder überlebte sie die nächsten Minuten.
»Erzähl mir was von dir.«
Sie hatten sich einen Hotdog besorgt und saßen nun auf der Bank vor dem Imbiss. »Von mir? Was willst du wissen? Mein Leben ist langweilig.«
»Keine Ahnung, irgendwas. Beginn, wo du willst.« Seine Augen leuchteten im schwachen Licht der Straßenlaterne. Die Sterne des zauberhaften Abends funkelten nicht weniger schön am Himmel.
Annas Härchen am Arm richteten sich auf, aber sie hielt seinem Blick stand. Sein bezauberndes Gesicht fesselte sie und sie musterte ihn. Es gab nichts, was an ihm nicht gelungen war. Eine gerade Nase und eine makellose Haut umspielten die besondere Farbe seiner Augen. Die Brauen waren symmetrisch gewachsen und ein paar Grübchen, die nicht sonderlich oft zum Einsatz kamen, zierten seinen perfekten Mund.
Anna schüttelte den Kopf. »Frag was, mir fällt nichts ein.« Was sollte ihn schon an ihr interessieren?
»Hast du einen Freund?«
Halleluja, gleich mit der ersten Frage fiel er mit der Tür ins Haus. Feinfühligkeit schien nicht seine Stärke zu sein, obwohl seine Gabe anderes vermuten ließ.
Sie verneinte zögerlich. Ihr Herz begann schon wieder, fest gegen ihren Rippenbogen zu klopfen.
»Du kommst aus Köln?«
»Ich lebe schon mein ganzes Leben hier. Woher kommst du?«
»Ich bin Engländer, aber in Deutschland geboren. Im Moment lebe ich hier in der Gegend. Wie alt bist du?«
»Siebzehn, werde aber bald achtzehn.« Sie musste es hinzufügen, es klang erwachsener. »Und du?«
Er zögerte einen Moment, fast, als müsste er sich die richtige Antwort noch zurechtlegen. »Ich bin zwanzig geworden, aber ich fühle mich wie hunderteins.«
Anna lachte auf. »Heute fühle ich mich wie hundertzwölf.« Herzhaft biss sie in ihr Brötchen.
»Hast dich gut gehalten.«
»Da solltest du erst mal die Freundin meines Vaters sehen.« Sie wusste nicht, wie sie ausgerechnet auf Sally kam, vermutlich wurmte sie das Gespräch von heute Morgen immer noch.
»Deine Eltern sind nicht mehr zusammen?«
Anna schüttelte den Kopf. »Meine Mutter wohnt in der Schweiz. Sie haben sich scheiden lassen, als ihr Vater diese Barbiepuppe kennenlernte.«
»Du magst sie nicht.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Niemand mag sie. Obwohl, du würdest sie wahrscheinlich gern haben, du bist ein Mann.«
»Und in deiner Welt denken alle Männer mit ihren Genitalien?«
Anna senkte den Blick. Ihr fiel kein passender Kontra ein.
»Ich hab dich aber gern«, fügte er schließlich hinzu.
Prompt verschluckte sie sich an ihrem Hotdog. Sebastian klopfte ihr sorgsam auf den
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