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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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der nicht mehr lebte, bereitete keine besondere Freude.
    »Niemanden. Die erste Regel, die du dir hinter die Ohren schreiben solltest, besagt, dass wir den Geistern besser keinen Zutritt in unsere Welt verschaffen. Zwar hält das Salz die wirklichen Racheseelen fern, aber so manch freundlich gesinnter Mensch kommt auf dumme Gedanken, wenn er Heimweh verspürt.«
    »Du sprichst dauernd von Rachegeistern und Racheseelen. Auch Eva soll jetzt so ein Ding sein. Was bedeutet das?« Der Begriff bereitete ihr ein ungutes Gefühl im Magen.
    »Rachegeister finden keinen Frieden im Jenseits. Ihre Rachlust frisst sie auf. Sie können es nicht steuern und eigentlich sollten sie uns leidtun. Meist handelt es sich um Seelen, die in unserer Welt noch eine Rechnung zu begleichen haben. Sie versuchen, sich einen Weg hierher zu verschaffen.«
    Annas Herz zog sich zusammen. Eva fand keinen Frieden? Der Gedanke ließ sie erschaudern. »Ich muss meiner Tante helfen, wenn sie leidet.«
    Marla blickte sie traurig an. »Das werden wir, Anna. Aber noch bist du nicht bereit dazu.«
    »Was macht die Rachegeister gefährlich?«
    »Eine starke Persönlichkeit kann Besitz von einem Medium ergreifen und ist fast nicht mehr auszutreiben. In der Geschichte endete so etwas oft in einem Blutbad.«
    Anna schluckte schwer. Dass eine Begabung riskante Seiten aufwies, hatte sie bereits verstanden. Aber dass die Gefahren tödlich sein konnten … Sie schüttelte sich innerlich.
    »Wie nehme ich Kontakt auf? Muss ich ins Jenseits eindringen?« In eine Welt voller Tote hineinzuspazieren gehörte nicht zu den Dingen, die sie auf ihre To-do-Liste gesetzt hatte.
    »Nein, nur ein wirklich erfahrenes Medium sollte diesen Schritt wagen. Deine Seele könnte auf der anderen Seite verloren gehen. Du triffst die Geister in der Schattenwelt, denn sie ist neutraler Boden.«
    »Was muss ich tun?« Die Neugier kitzelte sie trotz der Warnungen, die Marla aussprach. Sie verspürte den starken Drang, es zu versuchen.
    »Bist du bereit? Wir werden heute keine Seele aus dem Jenseits rufen. Ich möchte, dass du erst Vertrauen in die Schatten bekommst und einen Eindruck gewinnst. Am Anfang kann es dort wirklich unheimlich sein.«
    »Ich soll nur reinmarschieren?«
    Marla nickte. »Für den Anfang genügt das.«
    »Okay, dann mal los.«
    »Du musst genau das tun, was ich dir sage. Du wirst mich die ganze Zeit hören können. Ich als Hexe kann lediglich deine Kräfte kanalisieren. Ich werde dich nicht begleiten.«
    Annas Herz klopfte in unnatürlichem Rhythmus, aber es brannte ihr unter den Nägeln, es auszuprobieren. Das Adrenalin verdrängte den Teil, der sich sträubte.
    »Schließ die Augen, Anna. Du musst dich frei von allen Dingen machen. Versuche, an nichts zu denken, und die Geräusche um dich herum auszublenden.«
    Sie befolgte Marlas Anweisungen und bemühte sich, ihren Kopf auszuschalten. Das Gelingen stellte sich als schwierig heraus. Die neuen Informationen wollten zunächst einmal verarbeitet werden. Sie konzentrierte sich stärker, aber die Gedanken kreisten unablässig um die Erwartungen dieses Erlebnisses.
    »Ich kann nicht an nichts denken.«
    »Dann stell dir einen kleinen Punkt vor, konzentriere dich auf ihn. Vielleicht ist das einfacher.«
    Anna atmete tief durch und rief sich einen kleinen Punkt vor ihr geistiges Auge. Zuerst kam sie sich albern vor, aber es funktionierte. Ihre Gedanken schweiften nicht mehr ab und sie fokussierte den runden Fleck. Er hing irgendwo im Nirgendwo und hatte Ähnlichkeit mit einem verlorenen Stern.
    »Super, Anna. Und jetzt geh in dich. Du musst die Stimme deiner Begabung finden.«
    Sie erinnerte sich an die leise Melodie, die sie manchmal hörte, ohne dass sie es darauf anlegte. Angestrengt lauschte sie in sich hinein. Ihr Herz schlug laut und kräftig, aber es hatte sich beruhigt. Das Blut rauschte durch ihren Körper, doch die Stimme ihrer Gabe blieb stumm. »Es funktioniert nicht, da kommt nichts.«
    »Hab Geduld, es braucht Zeit.«
    Marla klang meilenweit entfernt. Der winzige Stern begann sich zu bewegen. Er verschwand an den Rand ihres Blickfeldes, ohne dass sie versuchte, ihn in Gedanken fortzuschieben. Sie sog Luft zwischen den Zähnen ein. Ihre Umgebung hellte auf, Licht durchbrach die Dunkelheit. Obwohl sie die Augen nach wie vor geschlossen hielt, flackerte der Schein der Kerzen am Rande ihres Sichtfeldes. Eine wohlige Wärme ummantelte sie und in der Ferne ertönte eine leise Melodie. Diesmal erkannte Anna sie. Es war

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