Gefaehrlich begabt
Sebastian sprach die Worte so überzeugend aus, dass sogar Anna einen Moment an ihre Wahrheit glaubte.
»Begleiten Sie meine Tochter?«
»Wenn ich eingeladen bin?« Seine Augen blitzten schelmisch auf.
»Natürlich, sehr gern sogar. Anna bringt sonst nie einen Freund mit nach Hause.«
Anna sah, dass Sebastian ein Lachen unterdrückte. So konnte man sich auch eine Einladung ergaunern.
»Es ist spät.« Sally hatte ihre Sprache wiedergefunden und warf einen säuerlichen Blick auf die Uhr.
»Ja, ich sollte auch gehen. Gute Nacht.« Sebastian wandte sich ab und Anna begleitete ihn zur Haustür.
Paps flötete noch ein fröhliches »Gute Nacht« hinter ihnen her.
Anna folgte Sebastian nach draußen. »Das war leicht unverschämt von dir.« Sie versuchte, ihr Gesicht grimmig zu verziehen, was schwerfiel unter dem Hochgefühl.
»Wieso? Die verheulte Freundin deines Vaters kassiert ein paar Worte für die affektierte Show und du bist sauber aus dem Schneider. Ich dachte, das wolltest du?«
»Schon, ich bin fein raus. Aber du bist zur Hochzeit eingeladen, als mein Begleiter.«
Die Fältchen um seine Augen gruben sich in Position. »Ich konnte fühlen, was in ihr vorgeht. Sie hasst dich mindestens so sehr wie du sie. Einer wird auf dich aufpassen müssen, sonst begeht sie noch einen Mord.«
»Und seit wann bist du mein persönlicher Schutzengel?«
»Halbgott trifft’s eher.« Er lachte mit einem Zwinkern in den Augen und verschwand blitzschnell zum Wagen.
Anna blieb keine Zeit zum Kontern, aber ihr Hirn fühlte sich ohnehin seltsam leer an. Hätte sie ihn bloß nie Halbgott genannt, jetzt würde er sie sicherlich noch ewig damit aufziehen. Aber das komische Gefühl beschlich sie, dass dieser Ausdruck der Wahrheit verdächtig nahe kam.
11. Kapitel
Dennis
D er Mülleimer ging in Flammen auf.
»Dennis«, rief Michael wütend und griff nach dem Eimer, um ihn schnellen Schrittes in die Dusche zu befördern. Das bereits geschmolzene Plastik versengte ihm schmerzhaft die Haut. »Autsch!« Womit verdiente er das bloß? Als ob es sich nicht schon entsetzlich genug anfühlte, dass er seine Frau verloren hatte, musste er sich jetzt noch mit einem außer Rand und Band geratenen 9-jährigen Feuerleger herumschlagen. Seine Frau hatte ihrem Sohn die Gabe vermacht, aber Dennis kam nicht mit dem Talent zurecht.
Es klingelte an der Haustür. Auch das noch, ausgerechnet jetzt! In der Küche roch es nach verbranntem Plastik. Sicher besuchte ihn wieder ein aufgebrachter Nachbar. Gestern, als die Vorgartenhecke in Flammen aufging, hatten sie bereits seinen Sohn beschuldigt. Michael steckte sich den verbrannten Finger in den Mund, es bildete sich schon eine Blase. Als es erneut läutete, hetzte er zur Tür. Eine Ausrede fiel ihm nicht ein. Die Ideen, woher die Gerüche stammten, gingen ihm langsam aus.
Er öffnete die Haustür und sah in das Gesicht einer äußerst attraktiven, jungen Frau. Fragend blickte er sie an.
»Hi, ich bin Kira.«
Michael erinnerte sich nicht, dass ihm der Name etwas sagen müsste. Er zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf.
»Ich sollte mich vorstellen kommen. Sie suchen doch einen Babysitter?«, half ihm die Schwarzhaarige auf die Sprünge.
»Ach ja, richtig.«
Das Bewerbungsgespräch kam durch eine Zeitungsanzeige zustande. Seine Schwester hatte die Annonce aufgegeben, nachdem Claire beerdigt worden war. Es erschien ihm jedoch unmöglich, Dennis mit einer Fremden allein zu lassen. Obwohl es ihn sicherlich noch seinen Job kosten würde, wenn er das wichtige Kundengespräch heute versäumte.
»Ich habe Sie total vergessen. Es ist gerade etwas ungünstig.«
»Rieche ich Feuer?« Kira reckte verdächtig die Nase in den Wohnungseingang.
»Oh, ja das. Mir ist ein Braten im Ofen angebrannt, nichts Aufregendes«, winkte Michael beschwichtigend ab und versuchte, ein Lächeln aufzusetzen.
»Papa?«, erklang eine Kinderstimme aus der Wohnung. »Der Duschvorhang brennt!«
Michael warf Kira einen Blick zu und hastete ins Badezimmer. Hoffentlich verstand sie und verschwand schleunigst. Er sah die Flammen, sie stachen beinahe vor bis zur Decke. Eilig schnappte er sich die Brause und hielt den Strahl auf den Vorhang.
»Er braucht einen Mentor«, sagte Kira, die plötzlich hinter ihm auftauchte.
Michael erschrak. Wieso war sie ihm ungefragt nachgegangen? »Was reden Sie da?«
»Ihr Sohn, er wird noch das Haus abfackeln, wenn ihm niemand beibringt, sich zu kontrollieren.«
Michael wandte sich ihr zu.
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