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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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das Leben begrenzt. Er müsste, vergleichbar mit einem Menschen, etwa im körperlichen Zustand eines Vierzigjährigen sein. Jonathan ist unfassbar schnell und er beherrscht die tödlichsten Flüche. Wenn er die Chance hat, zu handeln, wird sein Gegenüber nicht überleben. Falls Sie also auf ihn stoßen, gilt es, keine Zeit zu verlieren. Versuchen Sie, nicht allein zu sein, wenn Sie ihn antreffen.« Aldwyn blickte in die Runde und auf dem Diaprojektor erschienen ein Haufen Bilder, die augenblicklich Übelkeit aufsteigen ließen.
    Sie zeigten Leichen, viel Blut und grausame Tatorte. Schnell wandte Anna den Blick ab.
    »Jonathan hat in seiner Laufbahn 817 Menschen getötet. Zumindest ist das die Zahl, die wir kennen. Wie Sie sehen, haben die Fingerless ihren Namen zum Markenzeichen gemacht. Sie trennen ihren Opfern einen Finger ab und lassen uns damit wissen, dass der Mord ihre Handschrift trägt.« Aldwyn genehmigte sich einen Schluck Wasser, ehe der Diaprojektor abermals umsprang. »Hier sehen Sie Thea Fingerless.«
    Die Schönheit der Frau raubte ihr den Atem. Kein Wunder, dass Sebastian so gut aussah. Sie wirkte jung, optisch schätzte Anna sie in die Dreißiger.
    »Thea Fingerless, geborene Grey, erblickte im Jahre 1815 ebenfalls hier in London das Licht der Welt. Sie ist nicht weniger gefährlich als Jonathan, allerdings scheint sie vor Angriffen nervös zu werden. Bevor sie einen Fluch spricht, räuspert sie sich. Natürlich verrät sie sich damit. Das ändert allerdings nichts an ihrer Kraft und Schnelligkeit. Versuchen Sie sich, wenn Sie auf Thea treffen, möglichst links von ihr zu halten. Das ist ihre schwächere Seite, sie zielt dann schlecht. Thea hat 236 Menschenleben auf dem Gewissen.« Wieder folgte eine Reihe mit Bildern von Opfern. »Nun kommen wir zu dem älteren der beiden Söhne. Joshua Fingerless ist 1899 geboren. Er tritt eifrig in die Fußstapfen seines Vaters, denn er ist ein stark talentierter Magier. Er beherrscht die dunkelsten Künste.«
    Das Bild zeigte einen jungen Mann, ebenfalls mit eisblauen Augen. Er besaß einen dunklen Lockenkopf und sah absolut ungefährlich aus. Der Vergleich mit Frodo lag nahe.
    »Lassen Sie sich von seinem Äußeren nicht täuschen. Er mag aussehen wie der perfekte Schwiegersohn, aber er hat bereits 281 Menschen getötet und liegt damit sogar vor dem Rekord seiner Mutter.«
    Anna blickte rechtzeitig zur Seite. Sie war es leid, die Leichenbilder anzustarren.
    »Und somit kommen wir zum Letzten.«
    Blut rauschte in ihren Kopf, sie wusste, wer folgte. Aldwyn stellte Sebastian vor und sagte ihnen, wie sie ihn töten konnten. Anna vergrub ihr Gesicht in den Händen, ihr Adrenalinspiegel stieg. Aldwyn hatte gesehen, dass er sie verteidigt hatte, aber es machte keinen Unterschied. Anna hatte ihr Leben umsonst riskiert, denn er war trotz allem verloren.
    »Nein!«, rief sie laut und sah wieder auf. Sebastian lächelte von der Wand auf sie herab. Er trug sein charmantes Lächeln.
    »Miss Graf, wir wissen, dass Sie eine Schwäche für den jungen Magier besitzen, aber …«, begann Robert Pearson.
    »Nein«, wiederholte sie. Sie klang fest entschlossen und erhob sich vom Stuhl.
    »Er hat Sie verwirrt, Miss Graf. Aber alles, was er getan hat, tat er, um an Ihre Gabe zu kommen.«
    »Mögen Sie sich einreden, was immer Sie für richtig halten, aber …« Sie ließ den Blick durch die Runde schweifen. Die Gesichter der anderen wirkten verstört, nahezu ängstlich. Virginia schüttelte energisch den Kopf. »Aber Sie werden mich nicht zwingen können, das zu tun. Sie sind auf mich angewiesen, und wenn ich sage, dass Sebastian ein Tabu ist, dann ist er ein Tabu. Wir spielen nach meinen Regeln, oder wir spielen gar nicht.«
    Robert Pearson lächelte kalt, sein Blick ging durch bis ins Mark. »Anna, glauben Sie, wir waren darauf nicht vorbereitet?«, fragte er mit gleichgültiger Stimme.
    Sie funkelte ihn an.
    »Aldwyn, es ist an der Zeit, Miss Graf aufzuklären, warum es besser ist, nach unseren Regeln zu spielen. Wären Sie so freundlich?«
    Aldwyn hantierte am Projektor und was sie sah, jagte ihr einen eiskalten Schauder über den Rücken. Ihr schlimmster Albtraum bewahrheitete sich. Ein Albtraum, aus dem sie sich nicht befreien konnte. Die Last des Momentes, in dem sie auf das Bild starrte, wog so schwer, dass sie beinahe unter ihr zerbrach.
    Ihr Leben war vorbei, aus und vorbei.
    Denn wenn sie nicht zwischen zwei Menschen, die sie beide von Herzen liebte, entscheiden wollte,

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