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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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Kämpferego zum Glück an.
    »Weil du mich vermutlich in die nächste Nervenklinik hättest einliefern lassen.« Sie legte die Stirn in Falten. Wer glaubte schon Geschichten, die den Erzählungen der Brüder Grimm alle Ehre machten? Ihr Verhältnis half der Lage nicht, die vergangenen Monate waren sie sich aus dem Weg gegangen. Sie wollte ihm nicht ihr Herz ausschütten, ihr Vater wusste das.
    »Du musst dir keine Sorgen machen. Sie werden deiner Mutter nichts tun. Alles, was wir müssen, ist zusammenhalten und diese Magier ausschalten.«
    »Ich will nicht auf ihrer Seite spielen. Wir können uns doch nicht erpressen lassen! Es muss eine andere Möglichkeit geben.«
    »Anna, sei nicht dumm. Sie haben nicht nur Sylvia. Sie haben auch Sallys Mutter und noch andere Menschen. Es wäre das Klügste, wir bringen die Sache schnell hinter uns.«
    »Und du glaubst, das wäre ein Kinderspiel? Ich kann und ich werde nicht zwischen den Leben anderer entscheiden oder wählen. Wenn das die Lösung ist, hätte ich gern das Problem zurück.«
    »Du meinst diesen Magier? Lass dich doch nicht von diesem Mann blenden! Er kann nicht mehr wert sein als deine Mutter.«
    »Ich meine nicht Sebastian«, antwortete sie. Natürlich spielte er eine entscheidende Rolle, aber es gab auch noch die anderen. In einem Krieg würden viele ihr Leben lassen. Sollte sie, um ihre Mutter zu retten, zum Beispiel die kleine Jenny opfern? Sonnenklar, dass ihre Chancen schlecht standen. »Nicht alle werden diese Sache überleben, Paps. So sieht es aus. Ich führe kein Selbstmordkommando an.«
    »Darüber haben Kevin und ich schon gesprochen. Wir werden die Hauptaufgaben übernehmen. Wir wollen auch nicht, dass einer von euch Frauen in Gefahr gerät.«
    Anna schnaubte. Der Beirat leistete gute Arbeit. Sie hielten sich für tapfere Ritter … Ihr lächerliches Heldentum ging in der aussichtslosen Lage unter. In dieser Hinsicht ließen sich wohl fast alle Männer gern einen Floh ins Ohr setzen.
    »Tu nichts Unüberlegtes, ja?« Er versuchte, ruhig zu klingen, aber ein seltsamer Unterton begleitete den Satz.
    Anna schüttelte den Kopf. Was brachte es, ihn jetzt auch noch verrückt zu machen? Es reichte, dass sie kurz vor dem Durchdrehen stand.
    Er drückte sie kurz und verschwand aus dem Zimmer. Jede Umarmung erinnerte sie neuerdings an einen Abschied. Jede dieser Gesten fühlte sich verdammt danach an. Vermutlich waren sie es auch, Abschiede. Niemand wusste, was die nächste Stunde bringen konnte. Anna blieb allein zurück, als er die Tür schloss. Könnte sie doch bloß Sebastian erreichen. Wenn er Marlas Fluch aufhob, hätte sie eine Verbündete. Die Hexe stellte sich bestimmt auf ihre Seite, allein wegen Jenny. Aber sie konnte Sebastian nicht erreichen, sie besaß nicht einmal mehr ein Telefon. Zudem konnte der schwarze Engel nicht immer die Lösung aller Probleme sein … Nein, das konnte er nicht.

    *

    Sebastian verhielt sich leichtsinnig. Möglicherweise observierten die Fingerless oder der Beirat das Haus. Sein Mangel an Verantwortungsbewusstsein diesbezüglich würde ihn eines Tages vielleicht das Leben kosten. Er verscheuchte die Vorstellung und öffnete mit ein paar leichten Worten die Haustür. Zielsicher steuerte er auf die Dachbodenleiter zu. Er hatte mal wieder mehr Glück als Verstand. Der Knoten in seiner Brust zog die Luftröhre straff zusammen. Er zitterte am ganzen Körper und versuchte, die aufkeimenden Tränen hinunterzuschlucken. Die Truhe stand geöffnet in der hinteren Speicherecke. Mit nervösen Händen kramte er in der Kiste, ohne genau zu wissen, wonach er eigentlich suchte. Es musste etwas da sein, ein Anhaltspunkt, wenigstens ein Denkanstoß. Profimäßig bemühte er sich, nüchtern an die Sache heranzugehen und Angst, Trauer und Besorgnis zumindest für eine Weile aus seinem Kopf zu verbannen. Es gelang nicht besonders. Es gab keinen Schalter für die Gefühle, eine harte Lektion.
    Einige Zeitungsartikel handelten von seiner Familie. Mit schwerem Herzen las er sie durch, doch kein Jäger wurde namentlich genannt.
    Ein kleines, in Leder gebundenes Tagebuch stach ihm ins Auge. Mit Bedacht nahm er es und durchblätterte die vergilbten Seiten. Das Buch gehörte Marlas Großmutter. Marla hatte die Gabe vor vielen Jahren von ihr geerbt. Er schlug die Seiten bis zu einem Datum um, das zum Zeitpunkt der ersten Jagd passte. Er las viele uninteressante Dinge. Marlas Großmutter schilderte von einer Windpockeninfektion, die in der Stadt die

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