Gefährlich nah
Jedes Mal wenn sie an ihn dachte. Das Wissen, die Gewissheit, dass Tom alles war, was sie sich je gewünscht hatte, dass es ohne ihn einfach keine Zukunft geben konnte.
Warum sollte sie das also kaputtmachen? Warum sollte sie es riskieren, ihn zu verlieren, nur für ein Geburtstagsessen, das sie wahrscheinlich noch nicht einmal genießen würde. Gar nicht genießen konnte ohne Tom. Hazel würde sie nicht vermissen. Nicht solange die ganze Meute hinging. Fünfundzwanzig, hatte Hazel gesagt, und mindestens ein Dutzend wollten anschließend bei Joe übernachten.
Natürlich würde nichts zwischen Paige und Tom laufen,
wenn sie zu der Party ging. Darum ging es gar nicht. Es ging vielmehr darum, dass Tom traurig wäre, verletzt, enttäuscht. Sein Gesicht verzog sich schon jetzt zu einer Schmollmiene, die noch tagelang anhalten konnte. Und das konnte sie nicht ertragen. Sie hielt es nicht aus, wenn er sauer auf sie war.
»Ich hab’s mir anders überlegt«, sagte Abbie und sah, wie sich seine Miene aufhellte. »Ich schicke Hazel eine SMS. Und sage ihr, dass ich mich nicht so fühle oder so.«
»Tja, ich schätze mal, damit ist meine wilde Nacht der Leidenschaft mit Paige dahin«, sagte Tom, als er den Wagen noch einmal wendete. »Nur ein Scherz!«, fügte er hinzu und zwinkerte ihr zu. »Mach schon. Schick deiner Freundin die SMS.«
Sie machte ihre Tasche auf, um das Handy hervorzuholen, und sah dabei Hazels Geschenk, schön verpackt.
»Vielleicht könnten wir ihr das Geschenk morgen vorbeibringen?«, sagte sie, obwohl sie genau wusste, dass Tom das nicht tun würde, und dass es wahrscheinlich bis Montag würde warten müssen, bis sie wieder in der Schule war.
Ach egal, das spielte keine Rolle. Hazel würde das nicht stören. Und falls doch, dann musste sie eben damit fertig werden.
»Danke«, sagte Dee und schaute auf die Uhr, als Sanjay sie spät am Donnerstagvormittag zu Hause absetzte.
Er schaltete den Motor aus, als würde er erwarten, dass sie ihn noch einlud, aber das konnte sie nicht tun.
Nicht wenn ihr Dad gerade von seiner Therapiesitzung zurück war und man gar nicht sagen konnte, in welcher Verfassung er sich befand.
»Das war schon ein Hammer, dass Abbie gestern Abend nicht aufgetaucht ist«, sagte Sanjay. »Ich meine, für Hazel natürlich«, fügte er hastig hinzu. »Sie sah ziemlich angepisst aus, als sie die SMS gekriegt hat.«
»Mmmm«, sagte Dee, die nicht anbeißen und die Unterhaltung ausweiten mochte, weil sie nach drinnen gehen und herausfinden wollte, wie es ihrem Dad ergangen war.
»Abbie bedeutet mir nichts, weißt du«, sagte Sanjay, der ihre abweisende Art möglicherweise falsch gedeutet hatte. »Also schon noch, aber nur auf rein freundschaftlicher Ebene.«
»Ich weiß«, sagte Dee. »Tut mir leid, wenn ich ein bisschen daneben bin. Ich bin bloß müde, das ist alles. Zu viel getrunken, zu wenig geschlafen.«
»Schon okay«, sagte Sanjay. »Bis Samstag dann?«
Wie immer klang es, als würde er sich freuen. War sie immer noch nur eine Ablenkung für ihn, eine Art, über Abbie hinwegzukommen?
»Äh, ja«, sagte sie. »Aber, wenn du grade mal einen Augenblick wartest, dann gehe ich rein und hole das Geld, das ich dir schulde.«
»Ist schon okay. Das reicht auch am Samstag.«
»Oh, gut, danke«, sagte Dee beim Aussteigen. »Ich werd’s nicht vergessen!«
Als sie hereinkam, fand sie ihren Dad und ihre Großeltern in der Küche vor. Dad machte gerade Tee. Nicht
gerade die größte Herausforderung der Welt, aber es war seit Ewigkeiten die erste nützliche Tätigkeit, die sie ihn alleine hatte verrichten sehen.
»Kannst du mir auch einen machen?«, fragte sie.
Er nickte und holte sorgsam einen weiteren Becher von den Haken.
»Und, wie ist es gelaufen?«, fragte sie. »Wie war die Sitzung?«
Sie hatte die Frage an ihre Großeltern gerichtet, weil sie nicht wirklich damit rechnete, dass ihr Dad antwortete, aber er tat es.
»Ganz gut«, sagte er langsam. »Ganz gut, glaube ich.«
»Diese Therapeutin scheint ein bisschen anders zu sein«, sagte Granddad leise zu Dee. »Eher praktisch und vorwärts gerichtet, anstatt zurückzuschauen. Setzt Ziele, anstatt Erinnerungen auszugraben.«
»Und das hier ist eines der Ziele«, sagte Gran. »Dass er kleine Aufgaben erledigt. Ein oder zwei pro Tag, bis er schließlich noch vor der nächsten Sitzung alleine hier um die Ecke zum Einkaufen gehen kann.«
»Und wenn ich das schaffe«, sagte Dad und wandte sich zu ihnen um, »dann kann ich
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