Gefaehrlich schoener Fremder
gelangen.
Während er mit ihr dem Treppenaufgang zusteuerte, empfand Logan nur noch Verachtung für sich, weil ihm die professionelle kalte Distanz, die ihm immer seinen gefährlichen Biss gegeben hatte und die zu seinem Job als unentbehrliches Mittel zum Überleben einfach dazugehörte, plötzlich abhanden gekommen war.
Die beiden Männer in dem Wagen auf der anderen Straßenseite hatte er sofort erspäht, und es war ihm auch gleich klar gewesen, dass sie das Haus beobachteten
- für den Fall, dass sein Freund Jamie in seine Wohnung zurückkehrte.
Aber dann hatte er Emily in den Armen gehalten, hatte ihre Lippen auf seinen gespürt, und schon hatte er die Männer vergessen, die ihn jagten. Das war ein Fehler, der ihm teuer zu stehen kommen konnte.
Vor einer Tür im zweiten Stock blieb Logan stehen und zog aus der Hosentasche ein Etui mit der Sammlung feiner Werkzeuge, mit denen er auch die meisten der kompliziertesten Schlösser aufbekam.
Er steckte einen dünnen Metallstab ins Schloss, drehte ihn und fühlte sofort ein Klicken. Es überraschte ihn, wie leicht sich die Tür öffnen ließ, wie sich ein Insider vom Format Jamie O'Connels auf ein so unzureichendes Schloss verlassen konnte, um seinen Besitz, seine Person zu schützen.
Während Logan Emily in die Wohnung seines Freundes führte, spürte er sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Stille deutete darauf hin, dass sie allein waren. Aber waren sie wirklich allein?
Kaum hatte er Emily losgelassen, trat sie ein paar Schritte zurück und rieb sich die Stelle ihres Handgelenkes, wo er sie gehalten hatte. Ihr Blick huschte nervös durch den Raum, der eher einem Hotelzimmer glich als einem privaten Wohnzimmer.
Die Einrichtung war langweilig und rein funktional. Keine Pflanzen, keine Bilder an den kahlen, beigefarbenen Wänden, keine persönlichen Akzente verrieten etwas über den Menschen, der hier lebte.
Vorsichtig kehrte ihr Blick zurück zu Logan. Der stand mit erhobenem Kopf da, die Nase in die Luft gestreckt, so wie ein Tier, das Gefahr wittert. Oder ein Raubvogel seine Beute. Seine schwarzen Augen blickten jetzt wieder kalt und hart.
„Stimmt etwas nicht?" stieß Emily hervor.
Wieder packte er sie beim Handgelenk und zog sie zu einer Tür, die von dem kleinen Korridor abging. Er steckte den Kopf hindurch, sah sich rasch um, bevor er sie in das Zimmer schob.
„Bleib hier "befahl er.
Emily sah sich in dem dämmrigen Raum um, der ebenso unpersönlich wie der andere war. Die Übergardinen waren zugezogen, vielleicht, um die knallige Nachmittagssonne auszuschließen.
Auch hier war nichts Persönliches zu sehen. Kein Schuh war achtlos auf dem erdbraunen Teppich abgestellt, auf der Kommode lag kein einziger Gegenstand.
Das Mobiliar war von einem feinen Staubfilm überzogen, ansonsten aber war das Zimmer penibel sauber.
Plötzlich fiel Emily etwas auf - etwas, das sich hell gegen den dunklen Teppich abhob. Sie sah genauer hin. Das Etwas entpuppte sich als eine menschliche Hand, die vermutlich zu einem menschlichen Körper gehörte.
Verblüfft schüttelte sie den Kopf. Warum hatte sich Logans Freund zu einem Nickerchen ausgerechnet auf den harten Boden gelegt, wo das bequemere Bett doch direkt neben ihm stand?
Vorsichtig trat sie näher, unschlüssig, ob sie einen kurzen Blick auf den Mann werfen oder Logan holen sollte. Die Neugier siegte, und so verrenkte sie sich über den Rand des Bettes hin den Hals, um besser sehen zu können.
Da stockte ihr der Atem, ihr Herz hämmerte wild, und im Mund spürte sie den grässlichen Geschmack von Angst. Dieser Mann machte kein Nickerchen auf dem Boden; er war kalt und tot.
4. KAPITEL
Gerade als Logan die Metallscheibe im Mundstück des Telefons gefunden hatte, hörte er einen erstickten Laut. Sofort rannte er ins Schlafzimmer hinüber. Er sah die schneeweiße Emily, suchte mit den Augen den Raum nach irgendwelchen Zeichen von Gefahr ab. Da erblickte er die Hand.
Ein grausamer Tiefschlag. Logan fühlte sich klein und jämmerlich. Nein! schrie es in seinem Innern. Das darf nicht der Grund sein, warum Jamie gestern Abend die Verabredung nicht eingehalten hat!
Als er dann über den Rand des Bettes auf den am Boden liegenden leblosen Körper blickte, stellte er erleichtert fest, dass es nicht Jamie war.
Es war kaum Blut zu sehen, obwohl das Gesicht des Toten durch den Schuss aus einer großkalibrigen Waffe aus nächster Entfernung ganz abscheulich zugerichtet worden war.
Dieser Mann war also anderswo
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