Gefaehrlich schoener Fremder
Emily nicht einmal mehr einfach so gehen lassen. Sie waren sowohl von den Männern in dem weißen Lieferwagen in ihrer Nachbarschaft als auch von denjenigen, die Jamies Apartmenthaus beobachtet hatten, gesehen worden. Die würden zwei und zwei zusammenzählen und herausfinden, wer aus ihrem Viertel fehlte. Ein paar kurze Anrufe, und sie wüssten, dass Emily nicht abgeflogen und nicht an ihrem Urlaubsort angekommen war.
Und sie würden annehmen, Emily hätte ihm freiwillig geholfen. Ihr Leben wäre keinen Heller mehr wert, wenn sie den Leuten je in die Fänge geriete. Sie würden ihr alle Informationen über ihn entlocken - und sich dann, wenn sie nicht mehr nützlich war, ihrer entledigen.
„Wer waren diese Männer vorhin?" wollte Emily wissen.
„Ihretwegen habe ich mich in deinem Haus versteckt", wich er aus.
„Sie waren nicht von der Polizei."
Das war keine Frage, sondern eine klare Feststellung gewesen. „Nein, sie waren nicht von der Polizei", bestätigte er überrascht.
„Warum sind sie in unser Motelzimmer eingebrochen? Warum sind sie hinter dir her? Wie haben sie uns gefunden?"
„Ich vermute, sie haben in den letzten Wagen einen Sender eingebaut." Logan verzog den Mund. „Ich habe auch eine Wanze im Telefon in der Wohnung gefunden. Das heißt wohl, dass die Wohnung rund um die Uhr bewacht wurde."
Wanzen? Sender? Emily lief eine Gänsehaut über den Rücken. Logan hatte zwar bestätigt, dass es sich bei den beiden Männern nicht um Polizisten handelte, doch er hatte sauber darum herumgeredet, wer sie wirklich waren. In welcher Geschichte steckte dieser Mann? Und sie?
Sie fühlte sich entsetzlich verwirrt. Welcher Teufel hatte sie letzte Nacht geritten? Warum war sie nicht weggerannt, als sie die Chance dazu gehabt hatte? Warum hatte sie Logan, ohne zu überlegen, die Pistole gegeben? Hatte sie denn das letzte Fünkchen ihres gesunden Menschenverstandes verloren?
„Ich begreife selbst nicht, warum ich letzte Nacht nicht weggerannt bin", sagte sie mehr zu sich als zu Logan. „Die Möglichkeit dazu hätte ich ja gehabt."
Logan warf ihr ein müdes, leicht zynisches Lächeln zu. „Du hast wohl gespürt, dass du von den beiden Kerlen keine Hilfe zu erwarten hattest. Man bleibt besser an der Seite des Teufels, den man kennt, als zu einem unbekannten Teufel überzuwechseln. Aber nun versuch, ein bisschen zu schlafen. Du siehst müde aus."
Benommen folgte Emily seinem Rat, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen.
Logan blickte auf ihr blasses, erschöpftes Gesicht, und dabei durchströmten ihn zärtliche Gefühle und der Drang, sie zu beschützen - Empfindungen, die er seit langem nicht mehr kannte. Es war schon eine halbe Ewigkeit her, seit er auch nur andeutungsweise so gefühlt hatte.
Es gab Menschen in seinem Leben, die ihm sehr viel bedeuteten. Tyler, sein Bruder, lag ihm ganz besonders am Herzen, und es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er, ohne zu zögern, sein Leben für seinen Freund Jamie gegeben.
Doch nie hatte er dieses so heftige Verlangen empfunden, jemanden in Sicherheit zu bringen und von allem Hässlichen fernzuhalten, das über seinem eigenen Leben hing.
Jetzt wollte er das. Er würde diese unverdorbene Frau mit den vertrauensvollen Augen unversehrt durch die noch zu erwartenden Prüfungen bringen - und dann lautlos aus ihrem Leben verschwinden.
Logan sah sich noch einmal prüf end um, bevor er das Motelzimmer betrat. Ein schneller Blick zum Bett bestätigte ihm, dass Emily noch friedlich schlief - genau wie vor einer Stunde, als er sich zu der Einkaufstour durch die Geschäfte Sedonas aufgemacht hatte. Emily hatte sich kaum noch auf den Beinen halten können, und er hatte gleich gewusst, dass höchstens eine Explosion sie aus ihrem Tiefschlaf reißen würde.
Logan stellte die beiden Plastiktüten auf der Kommode ab und ging ins Bad.
Nachdem er die Kleidungsstücke von Emilys Bruder ausgezogen hatte, trat er in die Duschkabine. Während er sich unter dem lauwarmen Wasserstrahl mit der billigen Motelseife einrieb, wünschte er, er könnte alle dunklen Flecken ebenso leicht von seiner Seele waschen wie den Schweiß und Schmutz von seiner Haut.
Logan legte die Stirn an die kühlen Kacheln der Duschkabine. Er war so verdammt müde. Wann hatte er eigentlich das letzte Mal richtig durchschlafen können? Einen friedlichen Schlaf ohne quälende Alpträume hatte er in den letzten sechs Jahren überhaupt nicht gehabt.
Nachdem er das Wasser abgestellt und sich abgetrocknet
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