Gefaehrlich sexy
Kopf.
»Sag einfach Bescheid, wenn du es dir noch einmal anders überlegst«, sagt er und zeigt in Richtung Flur. »Das eben tut mir leid. Ich werde von jetzt an versuchen, meine Hände bei mir zu behalten, auch wenn ich dir nichts versprechen kann.«
Ich nicke und versuche, nicht zu lachen. Vielleicht muss ich einfach akzeptieren, dass der kesse, selbstbewusste Ben sich niemals ändern wird. Deshalb gehe ich nicht näher auf das Thema ein, sondern komme auf den Grund meines Besuchs. »Wie soll es mit dem Jungen weitergehen?«
»Wir bringen ihn in einem Zentrum unter, in dem er in einem Vier-Wochen-Programm die zwölf Schritte zurück in ein normales Leben lernen soll. Er wird das Leben, mich und seine Mutter hassen, aber mit ein bisschen Glück hat er am Schluss gelernt, wie er seine Drogensucht bekämpfen kann.«
Seine nüchterne Einschätzung erschüttert mich. »Er hat Glück, dass er dich hat.«
»Ich glaube nicht, dass Trent das auch so sehen wird.«
»Früher oder später wird er wieder zu sich kommen, und dann wird er sehen, dass du ihn gerettet hast. Und da du gerade von Serena sprichst – hast du sie inzwischen angerufen?«
Plötzlich nimmt er eine völlig andere Haltung ein. Sein Gesicht verdüstert sich und wird fast ein bisschen unsicher, als er gesteht: »Ich rufe sie erst morgen an, weil sie sich sonst Sorgen um ihn macht. Sie denkt, er ist bei seinem Dad. Und das Fieber und der Schüttelfrost sind bis dahin sicher besser.«
»In Ordnung, Ben.« Wahrscheinlich hat er recht, denn Trent sieht einfach furchtbar aus, und ich fände es entsetzlich, wenn ihn Serena in diesem Zustand sehen müsste. Da es für mich nichts mehr zu tun gibt, greife ich nach meinen Schlüsseln und marschiere Richtung Tür. »Also gut, ich rufe später noch mal bei dir an.«
»Wir sehen uns, Dahl, und vielen Dank«, ruft er mir hinterher, und ich drehe mich noch einmal zu ihm um.
»Ich bin wirklich froh, dass du am Leben bist.«
»Danke, Dahl. Das bedeutet mir sehr viel. Und ich bin froh, weil du – wenn auch mit einem anderen – glücklich bist.«
Ich lächle ihn an, doch er wendet sich eilig ab, und so verlasse ich – vielleicht zum allerletzten Mal – das Haus, in dem ich mit ihm glücklich war.
Als ich aus der Einfahrt auf die Straße biege, merke ich, dass ich in erster Linie Trents, aber auch seines Onkels wegen traurig bin. Im Augenblick umgibt mich so viel Traurigkeit, dass ich mich kaum auf eine einzelne Facette dieses vielschichtigen Kummers konzentrieren kann. Plötzlich fällt mir etwas ein, was Grace einmal zu mir gesagt hat. »Jede Narbe, die wir tragen, hat auch etwas Schönes, ganz egal, woher sie stammt«. Außerdem hat sie gesagt: »Ich werde immer für dich da sein«, und mir wird klar – nachdem sie wirklich immer für mich da war, ist es jetzt vielleicht an mir, endlich einmal für sie da zu sein. Bisher habe ich nicht einen Augenblick darüber nachgedacht, welche Auswirkung es auf sie hatte, zu erfahren, dass ihr Sohn am Leben ist – weil schließlich auch sie durch seinen angeblichen Tod Narben davongetragen hat.
*
Auch wenn ich durchaus meine Gründe dafür hatte, hätte ich sie niemals einfach stehenlassen sollen. Das wird mir bewusst, als ich am Strand vorüberfahre und all die Familien sehe, die dort fröhlich spielen, schwimmen, lächeln, glücklich miteinander sind. Ich muss mit ihr reden und sie um Verzeihung dafür bitten, dass ich einfach aus dem Restaurant verschwunden bin.
Als ich ihr Haus erreiche, öffne ich die Tür und rufe ihren Namen.
Sie sitzt an dem kleinen Schreibtisch in der Ecke ihres Wohnzimmers und geht im Licht der Schreibtischlampe irgendwelche Unterlagen durch.
Sie hebt den Kopf und sieht mich über ihre Lesebrille hinweg an. »Dahlia, Schätzchen, ist etwas passiert?«
Überwältigt von meinen Gefühlen, laufe ich quer durch den Raum, schlinge ihr die Arme um den Hals und sage mit heiserer Stimme: »Es tut mir leid.«
Ich bemerke, dass auf den Papieren, die sie durchgesehen hat, Bens Name steht – es sind sein Totenschein, eine Lebensversicherungspolice und der gerichtsmedizinische Bericht.
Sie macht sich von mir frei, räuspert sich und flüstert heiser: »Oh, Dahlia, ich muss mich ebenfalls bei dir entschuldigen.« Sie nimmt die Brille ab und legt sie vor sich auf den Tisch. »Komm, wir setzen uns aufs Sofa, und dann reden wir.«
Auf dem Weg zur Couch wird mir bewusst, wie heimisch ich in diesem Zimmer bin. Dass ich im Augenblick nichts
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